Jahr für Jahr versickern Milliarden Euro Steuergeld durch die wuchernde Bürokratie mit oft nur fragwürdigem Nutzen oder gar echtem wirtschaftlichen Schaden. Ein klarer Fall von Steuergeldverschwendung – und damit ein klarer Fall für unser Schwarzbuch!

Brauchen wir Bürokratie? 

Bürokratie fällt vor allem dann auf, wenn ein Verwaltungsvorgang nicht reibungslos läuft, Medien über absurde Possen aus dem bürokratischen Alltag berichten oder politische Akteure einen massiven Bürokratieabbau fordern. Der Nutzen, den eine gut funktionierende Bürokratie für einen demokratischen Rechtsstaat stiften kann, wird jedoch häufig übersehen. 

Aus der Perspektive der Steuerzahler betrachtet: Bürokratie ist immer dann in einem gesunden Maß zu implementieren, wo es um den (umverteilenden) Einsatz von Steuergeld geht. Hierfür sind also – stets unter Wahrung der Gebote von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – entsprechende Gesetze und Vorschriften zu erlassen und der Vollzug durch spezialisierte Experten in transparenten Verfahren zu gewährleisten. 

Die Schattenseiten der Bürokratie 

Allem Nutzen zum Trotz: Bürokratie kann ein für den Wohlstand und die Funktionsfähigkeit der Demokratie schädliches Ausmaß annehmen. So sehr Bürokratie ein Garant für wirtschaftliches Handeln, Rechtsstaatlichkeit und die Funktionsfähigkeit von Demokratien sein kann, kann sie als überbordende Bürokratie auch genau die Gegenteile befördern. 

Wenn die Spielregeln für wirtschaftliche Tätigkeit bis in das kleinste Detail unternehmerischer Aktivitäten eingreifen, nicht aufeinander abgestimmt sind und den Wirtschaftsakteuren enorme Ressourcen abverlangen – dann wirkt die Bürokratie als eine Wachstums- und Investitionsbremse. Eine Expertenbefragung des Münchener ifo-Instituts kommt zu dem Schluss, dass Bürokratie zu den zentralen Einflussfaktoren der Standortattraktivität Deutschlands zählt, gleichzeitig aber eben genau diese deutsche Bürokratie in ihrer jetzigen Form als der stärkste negative Einflussfaktor angesehen wird (vgl. Abbildungen 1.1 und 1.2). 

Bürokratie ist immer dann schlecht, wenn sie unternehmerische Potenziale hemmt, wirtschaftliche Aktivitäten unterbindet und der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates insgesamt zu schaden droht. Zudem schmälert sie die Wirtschaftskraft der Steuerzahler, denn viel Bürokratie bindet viel steuergeldfinanziertes Personal in der Verwaltung.

Abb1: Top 5 der Einflussfaktoren der künftigen Standortattraktivität Deutschlands in Prozent (Quelle: Eigene Darstellung nach Dörr, Luisa et al. (2023): Experteneinschätzungen zum globalen Standortwettbewerb. Eine Studie im Auftrag des Bundesfinanzministeriums. S. 17.) und Top 5 der negativen Einflussfaktoren der heutigen Standortattraktivität Deutschlands in Prozent (Quelle: Eigene Darstellung nach Dörr, Luisa et al. (2023): Experteneinschätzungen zum globalen Standortwettbewerb. Eine Studie im Auftrag des Bundesfinanzministeriums. S. 8.)

Wie hoch sind die bürokratischen Lasten in Deutschland? Um die Kosten der Bürokratie für den Steuerzahler zu beziffern, müssen sie gemessen werden. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) veröffentlicht jedes Jahr einen Jahresbericht, in dem er jeweils den Status quo der bürokratischen Lasten für Bürger, Unternehmen und Verwaltung in Deutschland kalkuliert. Dafür prüft und sammelt er die von der Regierung bzw. dem Gesetzgeber in jedem Gesetzentwurf zwingend vorzunehmende Kalkulation der bürokratischen Lasten und macht allgemeine Reformvorschläge zur Senkung. 

Schlechte, überbordende Bürokratie ist Steuergeldverschwendung, weil:

  • sie die Verwaltung daran hindert, effiziente Arbeit zu leisten.

  • sie Ressourcen in Unternehmen bindet, die diese nicht zur Entfaltung ihrer Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit nutzen können.

  • sie die Bürger bevormundet und in ihrer Freiheit beschränkt.

Die folgende Abbildung 2 verdeutlicht, dass der sogenannte jährliche Erfüllungsaufwand für alle Normadressaten (Bürger, Unternehmen und Verwaltung) seit Beginn der Messung im Jahr 2011 beinahe kontinuierlich gestiegen ist und aktuell einen Rekordwert erreicht hat.

Abb. 2: Jährlicher Erfüllungsaufwand 2011 bis 2023, Quelle: Nationaler Normenkontrollrat (2023): Weniger, einfacher, digitaler. Bürokratie abbauen. Deutschland zukunftsfähig machen. Jahresbericht. S. 11.

Der Aufwuchs von der Berichtsperiode 2021/2022 zu 2022/2023 in Höhe von 9,3 Mrd. Euro, also rd. 54 Prozent, ist einer der größten Sprünge seit Beginn der Messung. Wesentlicher Treiber dieses Aufwuchses war das Gebäudeenergiegesetz (GEG; umgangssprachlich: Heizungsgesetz). 

Ein weiterer Rekord: Der vom NKR bezifferte einmalige Erfüllungsaufwand in der aktuellen Berichtsperiode 2022/2023 war der höchste seit dem Beginn der Messung. Er betrug für die Bürger, die Unternehmen und die Verwaltung insgesamt rd. 23,7 Mrd. Euro. Besonders stark war die Wirtschaft betroffen, auf der ein einmaliger Erfüllungsaufwand von 20,2 Mrd. Euro lastete. Er war damit rd. acht Mal höher als in der Vorperiode. 

Der Erfüllungsaufwand erfasst nicht nur Bürokratiekosten im eigentlichen Sinn. Es geht auch um die allgemeinere Frage, welcher Aufwand den Bürgern, den Unternehmen und der Verwaltung entsteht, wenn ein Bundesgesetz befolgt wird. Ein Beispiel, um das zu verdeutlichen, ist das Mindestlohngesetz. Bei einer Mindestlohnerhöhung entsteht davon betroffenen Unternehmen ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe der Lohndifferenzkosten, da sie dazu verpflichtet sind, ihren Arbeitnehmern den Mindestlohn zu zahlen, also mitunter den Lohn zu erhöhen. Das ist aber nicht unbedingt das, was allgemein unter „Bürokratiekosten“ verstanden wird.

»23,7 Mrd. Euro einmaliger Erfüllungsaufwand 2022/2023. Absoluter Rekord!«

Das, was unstrittig Bürokratielasten im eigentlichen Sinn entspricht, misst der Bürokratiekostenindex. Er fokussiert sich allerdings ausschließlich auf die Bürokratiekosten, die den Unternehmen aus Informationspflichten entstehen. Die über den Bürokratiekostenindex gemessenen Bürokratiekosten sind eine Teilmenge des Erfüllungsaufwands. Zur Veranschaulichung der Relation sei hier das GEG herangezogen: Den Unternehmen entsteht dadurch ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 3,6 Mrd. Euro. Die Bürokratiekosten belaufen sich hingegen auf 450.000 Euro. Die gute Nachricht: Seit 2012 sind diese Bürokratiekosten in der Tendenz gesunken (vgl. Abbildung 3).

Abb. 3: Entwicklung des Bürokratiekostenindex 2012 bis 2023, *Nachmessung: Die dem Index zugrunde liegenden Kostenschätzungen sind teilweise noch nicht validiert, die Angaben daher vorläufig, Quelle: Nationaler Normenkontrollrat (2023): Weniger, einfacher, digitaler. Bürokratie abbauen. Deutschland zukunftsfähig machen. Jahresbericht. S. 15.

Aber bei der Interpretation der Daten ist Vorsicht geboten: Zum einen ist der Bürokratiekostenindex seit 2012 um lediglich drei Prozent gesunken, bewegt sich also nach wie vor auf einem hohen Niveau. Das deckt sich auch mit der oben bereits beschriebenen Ansicht der Experten, die die hohen Bürokratielasten in Deutschland als gewichtigen Standortnachteil sehen. Zum anderen blendet der Bürokratiekostenindex einige wichtige Faktoren aus, die eigentlich auch ein Bestandteil der Kalkulation sein sollten.

»Die echten Bürokratiekosten werden im Bürokratiekostenindex massiv unterschätzt.«

Der Bürokratiemotor in Deutschland brummt zuverlässig

Neben den bereits dargestellten Kennzahlen gibt es weitere Indizien, anhand derer sich die Bürokratielast in Deutschland ablesen lässt. Eines dieser Indizien ist die Entwicklung der jährlichen Anzahl von gültigen Gesetzen und Normen. Zwar muss nicht aus jedem Gesetz oder jeder Rechtsverordnung automatisch ein bürokratischer Aufwand für Bürger und Unternehmen entstehen. Schließlich bedarf es auch entsprechender Vorschriften, um Bürokratie abzubauen – man denke z. B. an die Bürokratieentlastungsgesetze. 

Aber jede bürokratische Verpflichtung resultiert sehr wohl aus einem Gesetz oder einer Rechtsverordnung. Je mehr Gesetze und Rechtsverordnungen es also gibt, desto höher ist die Regelungsdichte und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass damit höhere bürokratische Pflichten und Aufwände für das Gemeinwesen entstehen. 2015 waren 44.522 Einzelnormen in Gesetzen auf Bundesebene in Kraft. Zehn Jahre später, Anfang des Jahres 2024, waren es 52.468 Einzelnormen. Ein Anstieg von knapp 20 Prozent. Auch bei den Einzelnormen in Rechtsverordnungen ist in den vergangenen zehn Jahren ein massiver Anstieg von rd. 20 Prozent zu verzeichnen: von 38.484 im Jahr 2015 auf 45.491 im Jahr 2024. 

Ein weiteres Indiz ist die Entwicklung der Personalstellen in der Verwaltung, die hier exemplarisch anhand der Bundesverwaltung dargestellt wird. Denn jede neue Stelle muss mit neuen Aufgaben betraut werden, um ihre Notwendigkeit zu rechtfertigen. Und jede neue Aufgabe in der Verwaltung bedeutet automatisch ein Aufwuchs des bürokratischen Apparats. 

»In neun Jahren ist die Anzahl der Verordnungen und Einzelnormen um ganze 20 Prozent gestiegen.«

Abbildung 4 verdeutlicht, dass die Zahl der Planstellen in der Bundesverwaltung in den vergangenen zehn Jahren im Trend seit 2015 stetig nach oben gegangen ist – auch wenn zuletzt im Jahr 2024 ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen war. Noch markanter ist der Aufwuchs bei den Beschäftigten in der allgemeinen öffentlichen Verwaltung: Hier sind von 2015 bis 2023 insgesamt rd. 325.000 neue Stellen geschaffen worden – das entspricht einem Aufwuchs von 24 Prozent! 2023 arbeiteten nach Angaben der Bundesregierung rd. 1,4 Mio. Menschen in der allgemeinen öffentlichen Verwaltung Deutschlands. In diesem Sinne wird die „Herrschaft der Verwaltung“ also weiter ausgebaut.

 

Abb. 4: Entwicklung der Planstellen in der Bundesverwaltung (ohne Soldaten) 2015 bis 2024, Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Bund der Steuerzahler e. V. (2024): Das BdSt-Sparbuch für den Bundeshaushalt. S. 32

Natürlich zieht der wachsende Personalapparat in der Bundesverwaltung auch steigende Kosten für den Steuerzahler nach sich. 

Bürokratie als Gefahr für die medizinische Versorgung 

Nach einer Befragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung fühlen sich 91 Prozent der Ärzte und Psychotherapeuten durch ihre bürokratischen Aufgaben überlastet. 88 Prozent sehen ihren Praxisablauf durch die derzeitigen Digitalisierungsmaßnahmen (Stichwort: E-Rezept) beeinträchtigt. 

Im Schnitt muss jede der knapp 99.000 Praxen in Deutschland mehr als 61 Tage pro Jahr zur Erledigung bürokratischer Pflichten vorhalten. Dazu gehören z. B. Formularpflichten für die Versicherungsträger oder Jobcenter. Das überfordert nicht nur die bereits praktizierenden Ärzte, sondern schreckt Nachwuchsärzte vor eigenen Niederlassungen ab. Das ist eine Gefahr für die medizinische Versorgungssicherheit. 

Bürokratie als Bildungsbremse 

Für eine exzellente pädagogische Bildung und Betreuung aller Kinder sind v. a. Kindertagesstätten (Kitas) der zentrale Faktor. Allerdings zeigt sich: Neben dem Fachkräftemangel, der schon jetzt zu ungünstigen Rahmenbedingungen wie verkürzten Öffnungszeiten oder temporären Einschnitten beim pädagogischen Angebot führt, hemmt auch überbordende Bürokratie die Kitas bei der Ausübung ihrer eigentlichen Kernaufgaben. Fachkräfte verbringen inzwischen einen signifikanten Teil ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie und nicht mit der pädagogischen Arbeit. 

Beispiel 1: In der Stadt Pforzheim ist die Berechnung der Kitagebühren alles andere als trivial

Zuerst müssen Eltern bei der Stadtverwaltung ihr Einkommen über ein Onlineformular einreichen. Anhand dessen wird das maßgebliche Einkommen für die Berechnung der individualisierten Kitagebühr festgelegt. Daraufhin wird eine Beitragstabelle erstellt, die die Eltern an die Kitas weiterreichen müssen. Jede Familie zahlt einen anderen Beitrag, der nach Zeitpunkt des Antrags für ein Jahr gültig ist. 

Die Kita-Träger sind nun in der Verantwortung, anhand der Beitragstabelle darauf zu achten, welche Familie wann ihren Bescheid eingereicht hat, um den Beitrag in der jeweils korrekten Höhe abzubuchen. Oft dauern die entsprechenden Bearbeitungen länger, sodass entweder zu wenig oder zu viel von den Eltern abgebucht wird und die Kitas entsprechend Gelder eintreiben oder erstatten müssen. Ein Aufwand, den oft die Kita-Leitungen übernehmen müssen. 

Beispiel 2: Informationspflichten der Berliner Kitas binden Ressourcen

In Berlin müssen die Kita-Träger (mit entsprechender Mitarbeiterzahl) alle drei Monate die Stammdaten der Kita inkl. der Anzahl der angebotenen Plätze und der Öffnungszeiten auf der digitalen Verwaltungsplattform des Landes Berlin aktualisieren. Gleichzeitig müssen sich die Kitas vor jeder Änderung der Belegungszahlen oder der Öffnungszeiten mit der landeseigenen Kita-Aufsicht abstimmen und die Änderungen genehmigen lassen. 

Zusätzlich übermittelt der Kita-Träger jeweils im März die aktuellen Stammdaten im Rahmen der „Qualitätsvereinbarungen für Tageseinrichtungen“. Damit nicht genug: Ebenfalls im März müssen die Kitas ihre Personaldaten und spezifische Daten zu den Kindern an das Amt für Statistik Berlin- Brandenburg melden. Diese liegen jedoch bereits mehrfach bei anderen Stellen vor. 

Beispiel 3: Auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz macht vor Kitas nicht Halt

Wer zu den Normadressaten des Gesetzes gehört, wer also seine Lieferkette auf entsprechend nachhaltige und soziale Standards prüfen muss, wird unabhängig von der Branche allein an der Zahl der Mitarbeiter festgemacht. 

Somit sind auch Kitas mit entsprechender Mitarbeiterzahl verpflichtet, die zahlreichen Abfragen durchzuführen, die zur Erfüllung der Gesetzesvorgaben vonnöten sind. So müssen betroffene Träger also den Status quo ermitteln und einen für sich geeigneten Prüf-, Auswertungs- und Meldeprozess entwickeln und implementieren. Zudem muss jährlich ein digitaler Bericht beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht und veröffentlicht werden. 

Die angebotenen Beratungsleistungen der BAFA zu konkreten Anliegen von Unternehmen der Sozialwirtschaft sind allerdings kaum vorhanden. Es ist daher nicht immer klar, welche Daten schließlich zu melden sind. Der Prozess bindet umfassende personelle Ressourcen v. a. in der Anfangsphase, in welcher man sich die Grundlagen und Prozesse erarbeiten muss. Gleiches gilt für die Implementierung und Umsetzung, da man alle Mitarbeiter und betreffenden Abteilungen schulen muss. Darüber hinaus muss man im Regelfall mit Mehrkosten rechnen, wenn die Anzahl der Lieferanten auf Basis der Überprüfung sinkt. 

Kleine Änderungen mit großer bürokratischer Wirkung 

Wie umfangreich und durchgreifend Bürokratie auch im scheinbar Kleinen wirken kann, bekommt aktuell das Gastgewerbe zu spüren. Wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) berichtet, müssen Gaststätten aufgrund von Änderungen des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) die Aushänge erneuern, da sie verpflichtet sind, die jeweils aktuelle Fassung des Gesetzes zumindest in Auszügen sichtbar auszuhängen. 

Die Krux: Von den aktuellen Änderungen, die am JuSchG vorgenommen wurden, sind inhaltlich im Wesentlichen gar nicht die Gaststätten betroffen. Das Einzige, was sich für sie ändert: das Datum des Gesetzes. Trotz dieser nach gesundem Menschenverstand vernachlässigbaren Änderungen sind die Gaststätten jedoch verpflichtet, ihren Aushang zu erneuern! Denn tun sie dies nicht, drohen ihnen empfindliche Bußgelder. 

Auch die IHK der Region Stuttgart weiß von kleinen Änderungen mit großer bürokratischer Wirkung zu berichten: So muss bei einem Betriebswechsel der Aufenthaltstitel eines Auszubildenden aus einem Drittstaat neu beantragt werden. Dieser Antrag wird an die Ausländerbehörde geschickt, die den Antrag wiederum an die Agentur für Arbeit weiterleitet. Die Agentur für Arbeit übermittelt den Antrag schließlich an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung. Nach der Prüfung des Antrags wandert der neue Aufenthaltstitel die gesamte Behördenkette wieder zurück, obwohl sich lediglich der Ausbildungsbetrieb geändert hat. 

Meldungen aus unserer Mitgliedschaft

Die wichtigste Ressource des Bundes der Steuerzahler sind seine zahlreichen Mitglieder. Daher haben wir für dieses Schwerpunktkapitel auf diese Ressource zurückgegriffen und eine Abfrage gestartet: Wo drückt der Bürokratie-Schuh unsere Mitglieder am meisten? Branchenübergreifend haben uns Mitglieder ihr Leid geklagt, wenn es um das aufwendige Ausfüllen von teils sehr umfangreichen Formularen und Anträgen geht. 

Beispiel 1: Apotheken 

Im Rahmen der Apothekenvergütung für verschreibungspflichtige Arzneimittel müssen auch für Kleinstbeiträge Genehmigungsanträge bei der Krankenkasse gestellt werden. Mit jeder Krankenkasse werden dafür eigene Verträge abgeschlossen, die jedoch in ihren Schriftformerfordernissen (Fax, Brief, elektronisch) variieren. 

Beispiel 2: Ehrenamtlicher Trainer im Turnverein 

Als Trainer in einem Turnverein wird ein polizeiliches Führungszeugnis benötigt. Daraufhin wird von der jeweiligen Kommune eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Diese Bescheinigung wird von den Vereinen eingesammelt, um sie anschließend wiederum dem Landratsamt zu übermitteln. 

Beispiel 3: Künstlersozialabgabe 

Ein Agrarbetrieb hat sich von einer GbR einen eigenen Internetauftritt entwickeln und umsetzen lassen. Daraufhin ist infolge einer Betriebsprüfung die Künstlersozialkasse an den Betrieb herangetreten, da für die Inanspruchnahme der gestalterischen Dienstleistung die Künstlersozialabgabe fällig ist. Für die Abwicklung des Prozesses ist der 13-seitige Anmelde- und Erhebungsbogen der Künstlersozialkasse verpflichtend auszufüllen sowie von dem Unternehmen künftig eigenständig darauf zu achten, ob es sich bei in Anspruch genommenen Dienstleistungen um künstlersozialabgabenpflichtige Leistungen handelt oder nicht. 

Branchen oder tätigkeitsbedingte Gesetze 

Beispiel 1: Bürokratische Wärmewende 

Eine Firma hat aus eigener Kraft in einem Ort ein Nahwärmenetz errichtet, an das insgesamt 24 Häuser angeschlossen sind. Die Wärme wird aus 100 Prozent Hackschnitzel erzeugt. Das Problem: Jeder der 24 Eigentümer, der Teil des Nahwärmenetzes ist, muss nun ein Bestätigungsformular an das Landratsamt übermitteln. Die Firma wollte den Prozess möglichst unbürokratisch gestalten und hat eine Sammelbestätigung vorgeschlagen, damit nicht jeder Eigentümer gesondert ein Formular ausfüllen und übermitteln muss. Dies wurde jedoch aus Datenschutzgründen und aufgrund behördlicher Vorgaben zunächst abgelehnt. Damit ist das ein treffendes Beispiel dafür, wie absurde bürokratische Vorgaben effiziente Gestaltungswege behindern. 

Beispiel 2: Überregulierung im Gesundheitssektor 

Hygiene, zumal in der Lebensmittelindustrie, ist ein hohes Gut. Doch auch hier ist die Balance zwischen Normativität und Praktikabilität zu wahren. Seit der EU-Verordnung Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene, die 2006 in Kraft getreten ist, müssen Unternehmen der Lebensmittelindustrie ein sogenanntes HACCP-Konzept einrichten. „HACCP“ steht für Hazard Analytical Critical Control Points. 

Dafür müssen kritische Hygienepunkte in einem betroffenen Betrieb sowie deren Beseitigung täglich erfasst werden. Es geht also um die Dokumentation, wie die Maschinen und sonstigen Gerätschaften mit welchen Reinigungsmitteln bei welchen Temperaturen von wem und wann gereinigt und desinfiziert wurden. Der Clou: Zumindest im uns mitgeteilten Fall wurden diese detaillierten Aufzeichnungen von der Lebensmittelüberwachungsbehörde gar nicht geprüft. 

Beispiel 3: Bürokratie erfordert ein wachsames Auge 

Im physiotherapeutischen Bereich ist genaues Hinsehen gefragt, v. a. wenn es um die bürokratische Erfassung der von einer Praxis erbrachten Leistungen geht. Denn bei fehlerhaften Aufzeichnungen erhält die Praxis unter Umständen keine Vergütung von den Krankenkassen. 

Jedoch liegt die Fehlerquelle nicht nur innerhalb der Praxis. Auch wenn z. B. die behandelnde Arztpraxis ein Rezept falsch ausfüllt, muss das die Physiotherapiepraxis rechtzeitig vor der Kassenabrechnung korrigieren lassen, um keinen Vergütungsausfall zu riskieren. Das Problem: Für einige Fehler gibt es gar keine Korrekturmöglichkeiten! 

Eine zweite Baustelle: Gesetzlich versicherte Patienten müssen der Physiotherapiepraxis eine anteilige Rezeptgebühr zahlen. Zahlen die Patienten jedoch nicht, muss das die Physiotherapiepraxis den Krankenkassen nachweisen, damit diese den Zahlungsausfall erstatten und das Geld dann direkt von den Versicherten einziehen. Die bürokratiesparende Lösung: Die Krankenkassen sollten von vornherein die Beteiligung beim Patienten abziehen und der Physiotherapiepraxis vollständig erstatten. 

Die europäische Bürokratie-Hydra 

Ein Blick, der isoliert nur auf Deutschland schaut, wäre viel zu eng, um die gesamte Dimension der bürokratischen Lasten zu erfassen, denen Bürger, Unternehmen und die Verwaltung täglich ausgesetzt sind. 

»87 Prozent des Erfüllungsaufwands der Wirtschaft kommen von der EU.« 

Denn: Ein wesentlicher Teil der Belastungen, v. a. des in Deutschland entstehenden Erfüllungsaufwands für Unternehmen, entsteht auf Ebene der EU. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) informiert, dass in der aktuellen Berichtsperiode 2022/2023 in Deutschland 87 Prozent der laufenden Belastung für die Wirtschaft auf Umsetzung von EU-Regelungen zurückgeführt werden kann – und nur zwei Prozent der Entlastungen. 

Es darf nicht verschwiegen werden, dass das Problem der Regulierungswut auf europäischer Ebene auch im Fokus der EU steht. Um zusätzliche Bürokratielasten durch die jährlich mehr als 2.000 von EU-Institutionen erlassenen Rechtsakte einzudämmen, wurden bereits verschiedene Instrumente eingeführt. Dazu gehören etwa ausführliche Gesetzesfolgenabschätzungen und Beteiligungsplattformen, um den Gesetzgebungsprozess von vornherein unter dem Gesichtspunkt der Minimierung von Bürokratielasten durchzuführen. 

Außerdem wurde im Jahr 2021 die „One in, one out“-Regel von der Europäischen Kommission eingeführt. Dies bedeutet: Wenn durch eine Regel ein neuer Verwaltungsaufwand entsteht, muss dies durch Bürokratieabbau in demselben Politikbereich ausgeglichen werden. Allerdings ist dieser Instrumentenkasten unsystematisch und, wie die Angaben des NKR zeigen, bisher nicht sehr effektiv. Das liegt daran, dass Bürokratie auch auf EU-Ebene häufig in Gestalt einer Hydra erscheint: Schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen sofort zwei neue nach. 

»92 Prozent der Bürger und Unternehmen empfinden den bürokratischen Aufwand als zu hoch.« 

Was halten Bürger und Unternehmen von der deutschen Bürokratie? Nach der sogenannten Lebenslagenbefragung des Statistischen Bundesamts muss konstatiert werden: Unternehmen und Bürger sind grundsätzlich zufrieden damit, wie die Verwaltung die bürokratischen Pflichten administriert. Das ist jedoch nicht die ganze Wahrheit. Denn bei der Interpretation dieser scheinbar positiven Ergebnisse ist Vorsicht geboten. Die Frage danach, ob eine behördliche Dienstleistung überhaupt als sinnvoll erachtet wird, ist nämlich nicht Teil der Befragung. Auf diese grundsätzliche Frage zielte z. B. eine Umfrage im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft aus dem Jahr 2024 ab. Die Ergebnisse werfen ein anderes Licht auf den Zustand der Bürokratie in Deutschland.

Abb. 5: Top 5 der subjektiven Empfindungen gegenüber Bürokratiepflichten

So empfinden mehr als 92 Prozent der Befragten den bürokratischen Aufwand für Unternehmen und Bürger als eindeutig bzw. eher zu hoch. Differenziert nach Berufsgruppen zeigt sich, dass selbst rd. 87 Prozent der Beamten, also jene, die mitunter selbst Teil des administrativen Apparats sind, den bürokratischen Aufwand als zu hoch empfinden. Die Folge: Knapp die Hälfte der Befragten hat schon einmal ganz bewusst bürokratische Vorschriften ignoriert, also autonomen Bürokratieabbau betrieben. Fast zwei Drittel haben sogar in manchen Situationen darauf verzichtet, ihnen eigentlich zustehende Ansprüche einzufordern bzw. Förderungen zu beantragen, weil ihnen die Antragsprozesse zu kompliziert sind. 

Besonders schwer wiegen die subjektiven Empfindungen, die bürokratische Pflichten bei Menschen auslösen (vgl. Abbildung 5). Knapp ein Viertel der Befragten empfindet Verwirrung oder fühlt sich alleingelassen und ohnmächtig, rd. 43 Prozent empfinden Wut und Aggression, wenn sie an bürokratische Erfordernisse denken. Unter dem Strich haben knapp 85 Prozent der Befragten das Gefühl, dass es heute mehr Bürokratie als noch vor zehn Jahren gibt. Hierdurch entsteht die Gefahr, dass das Vertrauen in die Verwaltung, den Rechtsstaat und schließlich auch in die Demokratie erodiert.

Das Wachstum bürokratischer Vorschriften, Aufwände und Anforderungen kostet den Steuerzahler nicht nur sehr viel Geld. Die Bürokratie ist in ihrer aktuellen Form zu einer echten Investitions-, Innovations- und Wachstumsbremse geworden und damit ein klarer Fall von Steuergeldverschwendung!

Gerade beim Thema Bürokratie steckt der Teufel häufig im Detail

Für besonderen Ärger sorgt Bürokratie, wenn seit Jahrzehnten funktionierende Abläufe oder bestehende Bauwerke plötzlich verändert werden müssen, weil es die Verwaltung an der einen oder anderen Stelle plötzlich besonders genau nimmt. Ein aktuelles Beispiel (S. 30): Ein Drei- Meter-Sprungturm in einem Freibad im hessischen Biedenkopf. Dieser muss nach 30 Jahren reibungslosen Funktionierens und ohne besondere Vorkommnisse nun vollständig abgerissen werden. Der Grund: Ein städtisches Gutachten hat im Jahr 2023 festgestellt, dass das Becken nur 3,45 Meter Tiefe misst – und damit fünf cm weniger als für einen Drei-Meter-Sprungturm vorgeschrieben! 

Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Es muss Bürokratie abgebaut werden! Denn Bürokratieabbau bedeutet auch die Eindämmung von Steuergeldverschwendung. Durch konsequente Reduktion bürokratischer Lasten können für Bürger, für Unternehmen, aber auch für die Verwaltung jährlich Milliarden Euro gespart werden.

Was wurde und wird getan, um Bürokratielasten abzubauen?

1. Die Bundesebene

Sowohl auf gesetzlicher als auch auf institutioneller Ebene sind schon viele Versuche unternommen worden, um Bürokratie abzubauen. Für die vergangenen zehn Jahre sind z. B. die Bürokratieentlastungsgesetze I bis III zu nennen, die Planungsbeschleunigungsgesetze I bis III, das Investitionsbeschleunigungsgesetz sowie das LNG-Beschleunigungsgesetz. 

Allerdings sind die Wirkungen insbesondere der Beschleunigungsgesetze häufig nur partiell und auf bestimmte Bereiche beschränkt. Und die Entlastungen, die durch die Bürokratieentlastungsgesetze herbeigeführt wurden, sind nach Schätzungen der Schwarzbuch 2024/25 Im Fokus 21 Stiftung Marktwirtschaft durch zwischenzeitlich neu geschaffene Regelungen längst überkompensiert worden. 

Nicht zuletzt diese Tatsache hat die Ampel-Regierung dazu veranlasst, unter Federführung des Bundesjustizministeriums (BMJ) ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) anzugehen. Dafür wurde erstmals im Vorfeld sehr öffentlichkeitswirksam eine breite Verbändeabfrage durchgeführt. Von Januar bis März 2023 haben 57 Verbände insgesamt 442 Vorschläge über ein eigens dafür eingerichtetes Online-Tool eingereicht.

Diese Vorschläge wurden vorsortiert, sodass schließlich 115 davon von den Ministerien umgesetzt werden und 61 Vorschläge einer weiteren Untersuchung unterzogen werden sollen. 210 Vorschläge werden nicht aufgegriffen bzw. umgesetzt, weil sie bereits umgesetzt wurden oder weil die Bundesebene für die Umsetzung des Vorschlags nicht zuständig ist. Bei den restlichen Vorschlägen handelt es sich eher um methodische Ansätze, die zur Weiterentwicklung von Werkzeugen und Methoden der besseren Rechtsetzung genutzt werden sollen. 

Für die Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung soll das BEG IV jährliche Entlastungen von mehr als einer Mrd. Euro bringen. Allein die Wirtschaft soll um 944 Mio. Euro jährlich entlastet werden. Wäre da nicht die EU-Ebene. Denn durch die in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD, i. e. Nachhaltigkeitsberichterstattung) werden laut Entwurf (Stand: Mai 2024) den Unternehmen durch Berichtspflichten Kosten von jährlich 1,4 Mrd. Euro entstehen. Damit verpufft die Entlastungswirkung des BEG IV im Handumdrehen! 

Zwar will das Bundesjustizministerium die CSRD mit dem schon in Deutschland bestehenden Lieferkettengesetz verzahnen, damit die betroffenen Unternehmen nicht zwei inhaltsgleiche Berichte mit unterschiedlichen Standards erstellen müssen. Doch dies ist angesichts der Belastung nur ein kleiner Trost. Zumal an dieser Stelle auch in Rechnung gestellt werden muss, dass vom deutschen Lieferkettengesetz und seinen Pflichten de facto viel mehr Unternehmen in ihrer Funktion als Kunden bzw. Lieferanten (indirekt) betroffen sind, als de jure ausdrücklich intendiert. 

Darüber hinaus wurde per Verordnung im Jahr 2015 die „One in, one out“-Regel eingeführt. Für jede neue bürokratische Last muss also eine gleichwertige bürokratische Last abgebaut werden. Allerdings werden aktuell nur einige Belastungen der Wirtschaft berücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden die EU-Ebene sowie der Einmal- und Erfüllungsaufwand für Bürger und die Verwaltung. Die Effektivität der „One in, one out“-Regel, den Erfüllungsaufwand in Deutschland nachhaltig zu begrenzen, ist vor diesem Hintergrund also eher fragwürdig. 

Anhand des Mindestlohngesetzes macht eine Analyse der Stiftung Marktwirtschaft exemplarisch deutlich, wie bürokratische Folgekosten erlassener Gesetze an einer Stelle auf nicht nachvollziehbare Weise einfach nicht berücksichtigt werden – an anderer Stelle aber dann doch! Sollte sich der Erfüllungsaufwand von Unternehmen infolge einer Mindestlohnerhöhung durch eine erlassene Gesetzesänderung ergeben, dann werden diese Kosten im Rahmen der „One in, one out“-Regel berücksichtigt. Sollten sich die Folgekosten jedoch aufgrund eines Beschlusses der Mindestlohnkommission zur Erhöhung des Mindestlohns ergeben, werden sie wiederum nicht berücksichtigt. 

Auch hinsichtlich der Digitalisierung, v. a. der Digitalisierung der Verwaltung, ist Deutschland nicht wesentlich vorangeschritten, sowohl was den Ausbau der notwendigen Infrastruktur als auch die Nutzung von E-Government-Angeboten durch die Bürger angeht. Schillerndes Beispiel für das Versagen ist das gescheitere Onlinezugangsgesetz (OZG). Ursprünglich sollten bis Ende 2022 alle 575 Verwaltungsleistungen in Deutschland flächendeckend und nutzerfreundlich digital angeboten werden. Das Ergebnis (Stand: August 2024!): bundesweit sind es nur 156! 

Aufgrund des Scheiterns hat die Ampel- Koalition das OZG-Änderungsgesetz, also ein OZG 2.0, auf den Weg gebracht. Wesentliche Änderungen sind zum einen die Fristverlängerung um weitere fünf Jahre, bis die flächendeckende Digitalisierung von Verwaltungsleistungen vollzogen sein soll, sowie zum anderen die Kompetenzerweiterung des Bundes in einigen zentralen Punkten – etwa die Definition von Schnittstellen, von Architekturprinzipien und von technischen Basiskomponenten.

 

Allerdings ist nicht zu erkennen, dass das Grundproblem des OZG 1.0, also die fehlende Systematik und Strategie, mit dem OZG 2.0 tatsächlich ausgeräumt wird. Immerhin soll es nun regelmäßige Evaluationszyklen zum Umsetzungsstand geben, sodass zeitnah nachgesteuert werden kann. 

Institutionell ist die Schaffung des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) der wesentliche Meilenstein. Im Rahmen der Verwaltungsdigitalisierung sind v. a. der IT-Planungsrat und die seit 2020 bestehende FITKO (Föderale IT-Kooperation) zentral. Der IT-Planungsrat koordiniert die Tätigkeiten von Bund und Ländern im ITBereich. Er setzt sich aus dem IT-Beauftragten der Bundesregierung und den jeweiligen Beauftragten der Bundesländer für IT zusammen, besteht also aus 17 ordentlichen Mitgliedern, die von Vertretern der drei kommunalen Spitzenverbände sowie des Beauftragten für den Datenschutz und die Informationssicherheit beraten werden. Flankiert wird der Rat von der sogenannten FITKO. Sie unterstützt den IT-Planungsrat organisatorisch und fachlich. 

Nicht zu vergessen ist auch das Projekt „IT-Konsolidierung Bund“, das wir bereits im Schwarzbuch 2021/2022 erwähnt hatten. Explodierende Kosten und massive Verzögerungen bei der Umsetzung zeigen, dass die Digitalisierung der Bundesverwaltung eine komplexe und komplizierte Aufgabe ist.

2. Die Landesebene

Auch die Länder versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Kompetenzen, ihren Teil zum Bürokratieabbau sowohl auf gesetzlicher als auch auf institutioneller Ebene beizutragen. So verfügen 15 Bundesländer über sogenannte Mittelstandsgesetze bzw. -richtlinien, die auf die Reduktion bürokratischer Lasten für kleine und mittlere Unternehmen zielen. Zudem werden in einigen Bundesländern regelmäßig und systematisch Bürokratiekosten nach dem Standardkosten-Modell, das auch für die Ermittlung der Bürokratiekosten auf Bundesebene maßgeblich ist, erhoben. 

Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen verfügen über Gremien, die mit dem NKR vergleichbar sind und daher als „Schwestergremien“ bezeichnet werden können. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verfügen wiederum über sogenannte Clearing-Stellen, die ähnlichen Zwecken dienen.

Gut gemeint, aber schlecht gemacht

Dass Umwelt- und Naturschutz im Bund und in den Ländern nicht ohne viel Bürokratie geht, ist hinlänglich bekannt. Ein aktuelles Beispiel (S. 146): der Berliner Reparaturbonus. Damit sollen Berliner unterstützt werden, die sich dafür entscheiden, ihr defektes Elektro-Gerät nicht direkt zu entsorgen, sondern reparieren zu lassen. Sie bekommen einen Teil der Reparaturkosten erstattet. Dafür werden im Berliner Doppelhaushalt 2024/2025 insgesamt 2,5 Mio. Euro an Steuergeld bereitgestellt. Ein externer Dienstleister soll mit der Abwicklung des Prozesses, der vollelektronischen Antragstellung und der Auszahlung betraut werden, um die Berliner Verwaltung nicht zu überlasten. Selbst die Berliner Umweltstaatssekretärin erwartet hohe Verwaltungskosten. Sie stehen unserer Ansicht nach einem überschaubaren Nutzen gegenüber.

Forderungen des Bund der Steuerzahler

Die Last der Bürokratie ist als Problem zwar erkannt, aber längst nicht gebannt. Trotz aller Vorstöße waren politische Akteure bisher nicht in der Lage, nachhaltige Lösungen zu finden, die eine dauerhafte Bürokratiebremse implementieren konnten. Ohne einen solchen systematischen Ansatz, der ein grundsätzliches Umdenken in der Verwaltungskultur Deutschlands erfordert, ist das nicht zu machen. Dann wird es weiterhin ein stetes Auf und Ab der Bürokratielasten geben, das am Ende zu keiner Netto-Entlastung führt und die Steuergeldverschwendung als das Versickern von Steuergeld im bürokratischen Apparat fortführt.

Einführung einer gesetzlichen Bürokratiebremse

Eine umfassende und nachhaltige Strategie zum Bürokratieabbau ist nötig, um Steuergelder sparsam und effizient zu nutzen und die Standortattraktivität Deutschlands zu erhöhen. Die aktuelle „One in, one out“-Regel reicht nicht aus. Es sollte eine umfassendere Bürokratiebremse gesetzlich verankert werden, die auch den Verwaltungsaufwand und EU-Regelungen berücksichtigt. Kern der Bürokratiebremse ist mittelfristig eine „One in, two out“-Regel , um den Bürokratieaufwuchs nicht nur zu beenden, sondern einen steten Bürokratieabbau zu gewährleisten. Zudem sollte ein evidenzbasiertes Konzept zur Nutzenmessung von Regelungen entwickelt werden.

Stärkung der Digitalisierung der Verwaltung und des Verwaltungshandelns

Die Verwaltung muss konsequent digitalisiert werden, um effizienter arbeiten zu können. Dies betrifft sowohl interne Verwaltungsprozesse als auch Bürgerdienste. Wichtig ist eine moderne Registerstruktur, die alle relevanten Verwaltungsangelegenheiten für Bürger und Unternehmen an einem Ort vereint. Die dort vorhandenen Daten sollten als Grundlage dienen, um Bürger und Unternehmen von Informationspflichten zu befreien. Ziel ist die schnelle Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und damit die flächendeckende Digitalisierung aller Verwaltungsleistungen bis Ende 2025.

Vereinfachung des Steuerrechts

Ein einfacheres Steuerrecht reduziert den bürokratischen Aufwand. Pauschalierungen, Bagatellgrenzen und einheitliche Fristen sollten verstärkt genutzt werden. Die vorausgefüllte Steuererklärung sollte weiterentwickelt werden, um den Aufwand für Bürger und Unternehmen zu minimieren.

Reduzierung von Doppelregulierung und Gold-Plating

Nationale Gesetze sollten nicht über die Anforderungen von EU-Vorschriften hinausgehen. Deutschland muss sich verstärkt für Bürokratieabbau auf europäischer Ebene einsetzen.

Intensivierung der Zusammenarbeit aller Ebenen

Der Bürokratieabbau erfordert die Zusammenarbeit aller Verwaltungsebenen und Akteure, denn eine Koordination und Beteiligung aller Betroffenen ist notwendig, um unnötige Bürokratie frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Dazu gehören auch Praxis- und Digitalchecks, um eine umfangreiche und effektive Gesetzesfolgenabschätzung zu gewährleisten. So können drohende, aber unnötige Bürokratielasten früh erkannt und vermieden werden.

Fazit: Konsequenter Bürokratieabbau

Der aktuelle Zustand der Bürokratie in Deutschland ist alarmierend. Die stetig wachsenden bürokratischen Lasten und die unzureichende Digitalisierung der Verwaltungsprozesse sind zentrale Herausforderungen, die es dringend zu bewältigen gilt. Trotz zahlreicher Initiativen und Gesetze zur Bürokratieentlastung bleibt die tatsächliche Netto-Entlastung aus, da neue Regelungen oft schneller entstehen, als alte abgebaut werden. 

Es ist daher unumgänglich, eine systematische und nachhaltige Strategie zum Bürokratieabbau zu entwickeln. Dies beinhaltet die Einführung einer gesetzlichen Bürokratiebremse, die konsequente Digitalisierung der Verwaltung, die Reduktion von Doppelregulierungen und Gold-Plating sowie die Förderung von Transparenz und Effizienz in Verwaltungsprozessen. Eine engere Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsebenen und die Einbeziehung der Bürger in den Bürokratieabbauprozess sind ebenfalls essenziell. 

Nur durch einen entschlossenen und koordinierten Bürokratieabbau kann Deutschland die notwendigen Voraussetzungen schaffen, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie Klimawandel, Digitalisierung und demografischer Wandel erfolgreich zu begegnen. Dies wird nicht nur die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit steigern, sondern auch das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und die Demokratie stärken. Bürokratieabbau ist somit nicht nur eine Frage der Effizienz und des wirtschaftlichen und sparsamen Einsatzes von Steuergeld, sondern auch der Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Aufmacherbild: Nomadsoul1