
Wiesbadener Ex-Finanzamt: Millionen für fast leeres Gebäude
Schlechtes Geschäft des Landes Hessen: Viel Geld für eine fast ungenutzte Immobilie
Was ist passiert?
Hessen. Weil das Land Hessen dringend finanziellen Spielraum benötigte, verkaufte es Mitte der 2000er-Jahre insgesamt 55 Landesimmobilien und mietete sie gleichzeitig für den Zeitraum von 30 Jahren zurück. Die Verkaufserlöse betrugen 2,1 Mrd. Euro, wodurch Zinsen eingespart werden konnten, die sonst für zusätzliche Schulden angefallen wären. Das Land, das sich vertraglich zur Innensanierung verpflichtete, wollte dafür nur das Nötigste investieren. Übrigens: Die damalige Landesregierung ging davon aus, dass die Immobilien nach Ablauf der Mietverträge ohnehin nichts mehr wert sein dürften. Die Annahme, dass nur geringe Investitionen zur Aufrechterhaltung guter Arbeitsbedingungen notwendig sein würden, stellte sich jedoch als unrealistisch heraus. Auch, dass sich die Anforderungen an die Immobilien während der langen Mietdauer u. a. durch Digitalisierung, Homeoffice und eine politisch gewollte Arbeitsplatzverlagerung in den ländlichen Raum erheblich ändern würden, sah das Land nicht voraus.
Hintergrund: Seit 2018 reformiert die hessische Steuerverwaltung ihre Strukturen mit zahlreichen Maßnahmen und lagert dabei u. a. Aufgaben der Finanzämter in ländliche Regionen aus. Außerdem wurden die beiden bisherigen Wiesbadener Finanzämter im Oktober 2022 fusioniert.
Der ehemalige Dienstsitz der Finanzämter Wiesbaden I und II im Behördenzentrum am Schiersteiner Berg war zum Zeitpunkt der Strukturreform schon länger deutlich in die Jahre gekommen und hätte dringend modernisiert werden müssen. Nach Auskunft des Landes wäre die Realisierung eines modernen Bürokonzepts am alten Standort aufgrund der erheblich sanierungsbedürftigen Immobilie und der dortigen baulichen Rahmenbedingungen aber nicht wirtschaftlich umsetzbar gewesen. Man suchte und fand deshalb eine neue Unterkunft am Abraham-Lincoln-Park, die den gestiegenen Anforderungen gerecht wird.
Und so ging der Ärger richtig los: Seit dem Umzug steht der Großteil des alten Finanzamtsgebäudes leer. Nur rd. fünf Prozent belegen noch Landesbehörden. Das Objekt wird außerdem für den Betrieb technischer Einrichtungen verwendet. Trotzdem fällt weiter Miete in Höhe von jährlich 3,4 Mio. Euro an, der Mietvertrag läuft noch bis Ende 2035. Ursprünglich hatte das Land vor, den ehemaligen Dienstsitz nach Auszug der Finanzämter für andere Nutzungszwecke zu sanieren und herzurichten. Doch dann kaufte die OFB Projektentwicklung GmbH, eine Tochter der Landesbank Hessen-Thüringen, das gesamte Behördenzentrum am Schiersteiner Berg samt der alten Finanzamtsgebäude. Die OFB stellte dem Land für eine Revitalisierung des Gesamtareals ihren Masterplan „Seven Gardens“ vor, der in Abstimmung mit der Stadt Wiesbaden eine Quartiersentwicklung in mehreren Bauabschnitten unter sukzessivem Abriss der Bestandsbauten beinhaltete. Doch das alte Finanzamtsgebäude steht bis heute: Die Planungen für dessen Abriss und einen Neubau an gleicher Stelle mussten Ende 2023 unterbrochen werden. Laut Darstellung des Landes hatte die Entwicklung am Bau- und Finanzierungsmarkt bereits seit Längerem zu einer deutlichen Erhöhung des Baupreisniveaus und einer Verteuerung der Finanzierung von Projektentwicklungen geführt; diese Situation habe sich im Zuge des Ukrainekriegs noch verschärft. Infolgedessen sei das Vorhaben auf dem Gelände der früheren Finanzämter sowohl für das Land als auch die OFB zu diesem Zeitpunkt nicht wirtschaftlich gewesen. Deshalb untersucht die OFB eine Interimssanierung, um das Gebäude noch für die Restlaufzeit des Mietvertrags bis Ende 2035 nutzen zu können.
Foto: BdSt Hessen
Der Bund der Steuerzahler meint
Es bleibt zu hoffen, dass möglichst schnell eine wirtschaftliche Lösung für das frühere Gebäude der Wiesbadener Finanzämter gefunden wird. Ob eine vertretbare Sanierung der maroden Immobilie oder ein Abriss samt Neubau für neue Zwecke sinnvoller ist, muss genau geprüft werden. Mietzahlungen von 3,4 Mio. Euro jährlich bis Ende 2035 für ein fast ungenutztes Gebäude wären jedenfalls völlig inakzeptabel. Ändert sich nichts mehr, versenkt Hessen sehenden Auges insgesamt mehr als 44 Mio. Euro.
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