Wie viel darf ein Radweg kosten?
Eine neue Radbrücke bringt wenig Vorteile, dafür hohe Kosten
Was ist passiert?
Schwerin (MV). Seit Herbst 2021 ziert eine neue Fahrradbrücke die Landeshauptstadt. Ende September wurde die Verbindung zwischen Dwang und Krösnitz freigegeben. Richtigerweise schreibt die Stadt selbst in einer dazugehörigen Pressemeldung: „Kaum ein Radweg in Schwerin wurde so erbittert bekämpft und leidenschaftlich verteidigt.“ Besser lässt sich kaum beschreiben, was seit der Entscheidung für die Brücke im Jahr 2016 geschehen ist. Die Planung der Querung an der schmalsten Stelle des Ostorfer Sees rief Enthusiasten wie Kritiker gleichermaßen auf den Plan. Die Anwohner fühlten sich in ihrer Ruhe (und ihrem Zugang zum See) gestört, Naturschützer kritisierten den geplanten Kahlschlag und auch der Bund der Steuerzahler nahm das geplante Bauwerk sein Schwarzbuch 2016/17 mit auf. Es gab gerichtliche Auseinandersetzungen auf der einen und begeisterte Radfahrer auf der anderen Seite. Ein touristisches Highlight sollte die Brücke werden und zumindest das ist letztlich zweifellos gelungen.
Doch zurück auf Los: Im Jahr 2016 sieht das Radwegekonzept der Landeshauptstadt Schwerin eine neue Streckenführung für Radfahrer vor, die aus dem Westen in die Innenstadt wollen. Von der Rogahner Straße soll es über die Halbinsel Dwang mit einer Brücke über den Ostorfer See weiter über die Halbinsel Krösnitz zur Stadtmitte gehen. Dieser Weg ist landschaftlich reizvoll, weil er teilweise direkt am Seeufer verlaufen soll. Im weiteren Streckenverlauf geht es durch lockere Wohnbebauung und viel Grün. Doch die Realisierung ist schwierig: Am Seeufer muss auf Schwemmland gebaut werden. Zahlreiche wertvolle alte Bäume mussten erhalten werden. Anlieger sollen Flächen räumen. Ein üppiger Schilfgürtel musste den Bauarbeiten geopfert werden Und dann ist da noch die Brücke über den See, die im weichen Untergrund eine besondere Gründung erfordert. Alles zusammengenommen, schätzte die Stadtverwaltung die Baukosten seinerzeit auf 1,8 Mio. Euro.
Fünf Jahre später ist klar: Die Baukosten haben sich verdoppelt und schlagen nunmehr mit 3,6 Mio. Euro zu Buche. Kosten in Höhe von 200.000 Euro verbleiben bei der Stadt. Der Mammutanteil stammt aus Fördermitteln. Offiziell dient die Brücke der Aufwertung des Fahrradtourismus, um damit den Lückenschluss zwischen den vorhandenen Radfernwegen Hamburg-Rügen und dem Residenzstädte-Rundweg herzustellen. Die beiden Radfernwege führten jedoch schon zuvor an anderer Stelle zueinander. Doch nur so war die hohe Förderquote von 90 Prozent zu erreichen. Die Erklärung: die Förderpraxis des Landes. Würden dagegen die vorhandenen Radwege an den städtischen Straßen saniert werden – was dringend notwendig wäre – gäbe es dafür keine Förderung! Pikant: Zum Zeitpunkt der Eröffnung waren weder diesseits noch jenseits der neuen Radbrücke Ausschilderungen zu den „nun endlich“ verbundenen Radfernwegen zu finden.
So schön die Streckenführung auch ist, so fragwürdig ist der tatsächliche Nutzen für Radfahrer. Es gibt bereits einen Radweg um den See herum, der keine 1.000 Meter länger ist. Die Abkürzung spart nicht einmal fünf Minuten. Für den Alltag der Schweriner hat diese Brücke kaum eine Bedeutung. Der eigentliche Mehrwert wäre die Wegführung über die alte Stadionbrücke gewesen. Die wiederum ist leider bereits 2014 dem knappen Stadtsäckel zum Opfer gefallen. Deshalb müssen die Radtouristen nun über eine Ampelführung eine vierspurige Hauptstraße und dann eine Straßenbahnhaltestelle queren, über die der Radweg zunächst noch führt. Wie unpraktisch und auch gefährlich das ist, ist im Planungsverlauf nun auch der Stadt aufgefallen. Künftig soll ein kleiner zusätzlicher Radweg die Querung direkt über den Wartebereich der Haltestelle nicht mehr notwendig machen.
Foto: Michaela Skott
Der Bund der Steuerzahler fordert
Unsere Kritik war damals und ist heute berechtigt. Eine vernünftige Unterhaltung und ein strukturierter Ausbau der vorhandenen Radwege sollte Priorität vor der Schaffung einzelner Höhepunkte für den Tourismus haben. Das Land sollte seine Förderpraxis anpassen und nicht nur punktuelle Maßnahmen fördern.
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Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Ich finde die Brücke sehr gut. Sie führt durch ein ruhiges Gebiet fern vom Straßenlärm. Der im Beitrag erwähnte ca. 1000 m lange "Umweg" führt direkt an der meistbefahrenen Strecke Schwerins. Der Weg ist zwar teilweise tiefer gelegen und durch Hecken geschützt. Der Lärm ist trotzdem sehr laut.
Die Brücke ist sehr schön geworden. Was ich zu bemängeln habe ist, das der Weg am Ufer durch hineinragende Bäume unfallträchtig ist. Da hilft auch keine Warnbarke. Weiterhin hätte man Geld sparen können, in dem man den Betonklotz bei der Auffahrt auf die Brücke weggelassen hätte. Der sieht nicht nur häßlich aus. Der stört auch noch.
Nachzuholen wäre natürlich die Ausschilderung. Wenn darauf deutlich hingewiesen werden würde, würde der Radweg garantiert von vielen genutzt werden. Dazu müssten dann aber auch die Straßen beiderseits der Querung endlich mal saniert werden.
Lieber Herr Tippelt,
vielen Dank für Ihren Kommentar, dem wir an vielen Stellen inhaltlich folgen können. Auch wir verstehen, dass die Brücke eine "schönere" Verbindung ermöglicht. Jedoch sehen wir gerade darin auch das Problem: Wirklich NOTWENDIG ist sie, bei allen Baustellen, die die Radinfrastruktur der Stadt Schwerin sonst noch hat, nicht. Allzeit gute Fahrt!