
Wichtige Weichenstellung um Jahre verzögert
Weil Bremen nicht zu Potte kommt, zahlen Steuerzahler drauf
Was ist passiert?
Bremen (HB). Diskussionen um die Umgestaltung der Bremer Domsheide gibt es seit Jahrzehnten. Dass man sich bisher nicht auf eine Lösung einigen konnte, dürfte an den unterschiedlichen Interessen im Umfeld der Domsheide liegen. Sie ist das Eingangstor zur historischen Altstadt, den benachbarten Einkaufsstraßen und beheimatet zugleich das Konzerthaus „Die Glocke“. Vor allem ist die Domsheide mit ihren zwei Haltestellen der zweitgrößte Verkehrsknotenpunkt der Stadt, an dem täglich rd. 13.000 Fahrgäste umsteigen. Das Problem: Die Haltestellen liegen ca. 100 m auseinander und sind zudem nicht barrierefrei. Ein Umbau ist daher dringend erforderlich.
Im Jahr 2018 schien Bewegung in die Sache zu kommen, als Bremens damaliger Bürgermeister die Domsheide zur Chefsache erklärte. Das Timing war gut, standen seitens der Bremer Straßenbahn (BSAG) ohnehin Gleissanierungsarbeiten an, die zeitgleich mit dem Generalumbau erfolgen sollten, um Kosten zu sparen. Ein Umbau bis 2023 schien möglich.
Tatsächlich ging es zunächst zügig voran: Im ersten Quartal 2019 konnten 14 Vorschläge erarbeitet und bis Ende des Jahres auf zwei mögliche Varianten reduziert werden. Eine sah weiterhin zwei getrennte, aber barrierefrei gestaltete Einstiegspunkte vor, während die Alternative eine zentrale Haltestelle gegenüber dem Konzerthaus vorsah. Für die Zentralhaltestelle sprachen sich u. a. Bremens damalige Verkehrssenatorin und der Landesbehindertenbeauftragte aus.
Eigentlich war alles bereitet, um eine abschließende politische Entscheidung zu fällen. Doch dann regte sich Widerstand, der auch die Politik ergriff und so für jahrelange Verzögerungen sorgte. Im Kern ging es um die Interessen des Konzerthauses, das bei einer Zentralhaltestelle vor seiner Pforte Auswirkungen auf den Konzertbetrieb fürchtete.
Dieser Konflikt konnte politisch nicht aufgelöst werden. Vor diesem Hintergrund beschloss die Politik, nochmal etwas völlig anderes untersuchen zu lassen – die Verlegung der bestehenden Straßenbahntrasse Obernstraße-Domsheide in die parallel verlaufende Martinistraße. 226.000 Euro ließ sich Bremen eine hierzu im Herbst 2022 beauftragte Machbarkeitsuntersuchung kosten. Die erst über ein Jahr später vorgestellten Ergebnisse vermochten hingegen niemanden zu überraschen. Das klamme Bremen kann sich eine mehr als 100 Mio. Euro teure und unwirtschaftliche Trassenverlegung nicht leisten. Erkenntnisgewinn also: gleich Null. Zur Auswahl standen weiterhin nur die zwei schon längst bekannten Varianten. Der Senat entschied im Februar 2024 zugunsten der getrennten Haltestellen und kam damit den Interessen des Konzerthauses entgegen.
Doch wer nun glaubt, dass damit die Zukunft der Domsheide endlich geklärt sei, irrt – denn Behindertenvertreter pochen weiter auf die Zentralhaltestelle.
Der Landesbehindertenbeauftragte drohte sogar mit Klage, sollte an den getrennten Haltestellen festgehalten werden. Der Streit um die Domsheide könnte also noch über Jahre weiterschwelen.
Für Steuerzahler besonders ärgerlich: Weil sich der Entscheidungsprozess schon so lange hinzieht, kann die BSAG mit den nötigen Gleissanierungsarbeiten nicht länger warten. Für rd. drei Mio. Euro werden neue Weichen verlegt, die bei einem späteren Generalumbau voraussichtlich wieder ausgetauscht werden müssen.
Foto: Jan Vermöhlen
Der Bund der Steuerzahler kritisiert
Während des Beteiligungsprozesses 2019 hatten alle Beteiligten Gelegenheit, sich in die Debatte einzubringen. Dass die abschließende Entscheidung wegen einer von vornherein nicht realistischen Straßenbahnverlegung nochmals um Jahre vertagt worden ist, ist nicht zu rechtfertigen. Hier wurden Zeit und Steuergeld der Bremer Bürgerinnen und Bürger verplempert.
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Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Warum wird in Ihrem Bericht ausschließlich bei Variante 2.3 das Wort ‘barrierefrei’ erwähnt, während dies bei Variante 5.1 nicht der Fall ist? Der Landesbehindertenbeauftragte sowie die Behindertenverbände und andere Organisationen, die die Petition gegen Variante 2.3 unterzeichnet haben, kritisieren insbesondere die fehlende Barrierefreiheit dieser als ‘barrierefrei’ bezeichneten Variante. Es wäre wichtig, klarzustellen, weshalb die Barrierefreiheit explizit nur bei Variante 2.3 thematisiert wird, obwohl genau diese in der Kritik steht, die Anforderungen an Barrierefreiheit nicht ausreichend zu erfüllen.
Hallo Frau Wontorra,
die Bezeichnung "barrierefrei" bei Variante 2.3 erfolgte nur deshalb zusätzlich, um deutlich zu machen, dass trotz dem weiterhin eingeplanten Abstand der beiden Haltestellen, die Barrierefreiheit nach Ansicht nach Planer gewahrt sei.
Bei der Gestaltung der zentralen Haltestelle (V5.1), bei der Umstiegswege entsprechend entfallen würden, war ich nicht mehr der Ansicht, die Barrierefreiheit nochmals explizit erwähnen zu müssen. Weshalb hätte sich der Landesbehindertenbeauftrage - wie im Beitrag berichtet - auch für diese Variante aussprechen sollen, wenn sie nicht barrierefrei sein sollte? Ich war davon ausgegangen, dass diese Information durch Kenntlichmachung der Vorzugsvariante des Landesbehindertenbeauftragten deutlich wird.
Natürlich sind beide Varianten barrierefrei, die Zentralhaltestelle aufgrund der wegfallenden Umstiegswege aber nachvollziehbar behindertenfreundlicher.