
Unausgegorene Planung für Millionenknast
Planungsdesaster und ewige Mietzahlungen für Großgefängnis
Was ist passiert?
Halle/Saale (ST). Die Pläne für die grundlegende Ertüchtigung der JVA Halle (Saale) sind nicht neu. Um auch den ab Januar 2025 geltenden gesetzlichen Anspruch auf Einzelunterbringung umzusetzen, waren vor Jahren die Pläne für ein Ergänzungs- und Erweiterungsvorhaben zur Unterbringung von 600 Gefangenen schon weit fortgeschritten. Das Finanzministerium hat im Haushaltsplan 2021 Kosten von rd. 193 Mio. Euro geschätzt. Allerdings kam es im ersten Halbjahr 2021 während des Vergabeverfahrens zu massiven Preissprüngen. Plötzlich waren Beträge von mehr als 300 Mio. Euro im Gespräch, was dazu führte, auf das Vorhaben zu verzichten.
Was damals keiner wusste: Auch diese Entscheidung hatte ihren Preis – rd. 5,2 Mio. Euro Steuergeld waren verpulvert, nicht nur für vergebliche Planungskosten und Untersuchungen, sondern auch schon allein 3,24 Mio. Euro Bieterentschädigungen für Firmen, die nicht zum Zuge gekommen waren.
Umso größer war die Überraschung, als das Finanzministerium im Oktober 2023 erneut den Neubau einer JVA ankündigte. Dieser soll auf einem fast 17 ha großen Areal im Stadtteil Tornau mit rd. 440 Haftplätzen entstehen und nach aktuellen Planungen Ende 2029 in Betrieb gehen. Das Land hat für das Haushaltsjahr 2024 bereits rd. 20 Mio. Euro für vorbereitende Maßnahmen veranschlagt.
Der Sinneswandel im Finanzministerium ist für die Bürger, mehrere Landtagsabgeordnete und nicht zuletzt die Steuerzahler irritierend und derzeit nur schwer nachvollziehbar. Das Finanzministerium kommt zwar zu der Einschätzung, dass die „Modernisierung der JVAen in Sachsen-Anhalt alternativlos ist“. Doch musste das Ministerium auf Nachfrage des Steuerzahlerbundes einräumen, dass eine belastbare Kostenschätzung für das Projekt noch nicht vorliegt. Nach einer detaillierten Bedarfsanalyse sollen in einem konstruktiven Planungsprozess die sachlich nachvollziehbaren Kosten erst noch ermittelt werden. Trotzdem wurden für den Grundstückserwerb, die Machbarkeitsstudie und juristische Begleitungen bereits rd. 2,7 Mio. Euro investiert. Neben den für das Haushaltsjahr 2024 veranschlagten rd. 20 Mio. Euro wird für 2025 von einem Bedarf von ca. 56 Mio. Euro ausgegangen.
Für das Gesamtvorhaben sind neben den nicht feststehenden Gesamtkosten noch viele weitere Fragen offen. Nicht zuletzt muss auch noch der Bebauungsplan vom Stadtrat für das schon erworbene Grundstück geändert werden. Erst dann könnte die Ausschreibung für die Generalplanung erfolgen. Der angekündigte Realisierungszeitraum bis Ende 2029 sei keinesfalls gesichert belegt, so das Finanzministerium.
Fachleute kommen zu der Einschätzung, dass für das neue Vorhaben letztlich mit noch deutlich höheren Kosten als beim damaligen Verfahren gerechnet werden muss. Die neue Planung wirkt auch deshalb unausgegoren, weil beim Scheitern der Neubaupläne auch wieder der Ausbau am alten Standort als Plan B ins Gespräch gebracht wird. Dies ist deshalb unverständlich, da eine Umsetzung unter dem Aspekt „Bauen im laufenden Justizvollzug“ sehr anspruchsvoll wäre. Hierdurch entstünden erhebliche Kosten- und Terminrisiken bei der Umsetzung.
Egal, welche Variante gewählt wird: Ein wichtiger Aspekt hat sich seit dem abgebrochenen Verfahren geändert. Die Finanzierung des JVA-Baus soll über eine extra für große Neubauvorhaben gegründete Landesgesellschaft, die Immobilien- und Projektmanagement Gesellschaft Sachsen-Anhalt mbH (IPS), abgewickelt werden. Da es sich bei den geplanten Zahlungen des Landes an die IPS um Kapitalzuführungen handelt, können diese mit neuen Krediten ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse finanziert werden. Die Refinanzierung der Ausgaben der IPS soll gemäß dem Geschäftsmodell der IPS durch entsprechende kostendeckende Mieteinnahmen erfolgen. Dies bedeutet, dass der Steuerzahler, verdeckt über die Mietausgaben, die Zins- und Tilgungsleistung für ein vom Land errichtetes kreditfinanziertes Gefängnis trägt. Was für ein intransparenter Unsinn! Bei einer angenommenen kreditfinanzierten Gesamtsumme von rd. 350 Mio. Euro müssten bei einer Laufzeit von 20 Jahren und einem Zinssatz von drei Prozent allein für Zinsen rd. 210 Mio. Euro aufgebracht werden. Hinzu käme die Tilgung des aufgenommenen Kredits in Höhe von 350 Mio. Euro. Fachleute befürchten – auch ohne Kenntnis der neuen Gesamtkosten und Rahmenbedingungen –, dass dies wegen der ewigen Mietzahlungen unwirtschaftlich ist.
Die Steuerzahler dürfen gespannt sein, für welche Summe sie am Ende geradestehen sollen.
Foto: BdSt Sachsen-Anhalt e. V.
Alternative Investition
Allein aus den sich abzeichnenden Zinszahlungen könnten zwei Jahre lang alle notwendigen Ausgaben für Personal, Sachkosten sowie Beschäftigung und Bildung der Gefangenen im Justizvollzug finanziert werden.
Der Bund der Steuerzahler kritisiert
Für die Steuerzahler ist sowieso schon schwer nachvollziehbar, dass Regularien zur Einzelunterbringung von Gefangenen Millionensummen erfordern. Zusätzlich zu den vom Land bereits in den Sand gesetzten Steuergeldern in Höhe von 5,2 Mio. Euro droht eine weitere Steuergeldverschwendung in Millionenhöhe. Das betrifft die Auswirkungen der unausgegorenen Planung und der unwirtschaftlichen Mietlösung unter Umgehung der Schuldenbremse. Intransparent und nicht zu Ende gedacht – zulasten der Steuerzahler.
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