
Rüstungseinkauf: Tempo-Erlass wird ausgebremst
Beschleunigungserlass entpuppt sich als Bremsklotz
Was ist passiert?
Bund. Der Bürokratieabbau bei der Bundeswehr kommt nur behäbig voran. Wir erinnern uns: 2022 rief die Bundesregierung die „Zeitenwende“ aus und initiierte das „Sondervermögen Bundeswehr“ - ausgerüstet mit 100 Mrd. Euro Kreditermächtigungen für ein großes Fähigkeiten-Upgrade für die Landes- und Bündnisverteidigung. Es folgten flankierende Akzente zur beschleunigten Beschaffung von Rüstungsgütern, zuletzt im Frühjahr 2023 ein „Beschleunigungserlass“ der Ministeriumsspitze, um die teils komplexen Beschaffungsprozesse grundlegend zu entschlacken. Der Verteidigungsminister kündigte an: „Oberste Priorität ist für uns alle künftig der Faktor Zeit“ - und dass „schnelle, pragmatische und spürbare Veränderungen im Beschaffungswesen“ umgehend erfolgen.
Im Fokus des Erlasses stehen somit der „Faktor Zeit“ und das Ziel, „unverzüglich die Ermessensspielräume im Beschaffungswesen durch Außerkraftsetzung bundeswehrinterner, gesetzverschärfender Regelungen zu erweitern“, so das Ministerium im Mai 2023, das sogleich hinzufügte: „Ferner sind die Regelungen innerhalb von sechs Monaten anzupassen.“
Aus BdSt-Sicht ist dies der richtige und notwendige Ansatz, um die viel beschworene Zeitenwende spürbar voranzutreiben. Schließlich gilt auch für die Bundeswehr das Motto „Zeit ist Geld“, sodass straffe Entscheidungs- und Beschaffungsprozesse im Sinne der Steuerzahler sind, weil sie vor Kostenexplosionen schützen - etliche mussten wir in den vergangenen Jahren in unserem Schwarzbuch auflisten.
Doch die bisherige Bürokratiewende ist leider überschaubar. 203 Regelungen identifizierte das Verteidigungsministerium nach Verkündung des Beschleunigungserlasses, die es zu aktualisieren galt, um den „Faktor Zeit“ als ein zentrales Beschaffungselement zu implementieren oder um bürokratische Normen im Rahmen der Überprüfung gleich ganz außer Kraft zu setzen.
Auf Nachfrage des BdSt im Sommer 2024, wie viele Regelungen nach einem Jahr Beschleunigungserlass ersatzlos gestrichen worden seien, folgte die Antwort, dass „89 Regelungen mittlerweile aktualisiert oder außer Kraft gesetzt“ wurden. Eine konkrete Zahl der gestrichenen Regelungen wurde also nicht genannt, auch nicht zu aktualisierten Vorschriften. Interessant ist: Als „aktualisiert“ gilt bei der Bundeswehr eine Beschaffungsvorschrift schon dann, wenn sie einen „Bezug auf die Vorgaben des Beschleunigungserlasses“ enthält. Dieser „schlanke“ Ansatz hilft beim Bürokratieabbau aber wenig, da er letztlich den Status quo des umfassenden Regelwerks zementiert.
Auch auf unsere Nachfrage, wie viele Beschaffungsvorschriften seit Frühjahr 2023 unverändert weitergelten, verwies das Ministerium lediglich auf die bisher 89 aktualisierten oder außer Kraft gesetzten Regelungen. Deshalb rechnete der BdSt für diesen Schwarzbuch-Fall selbst nach: Es sind 114! Somit bleibt mehr als die Hälfte, der im Sinne des Beschleunigungserlasses identifizierten Beschaffungsvorschriften, völlig unangetastet.
Ob es noch weitere Aktualisierungen geben wird, ist zweifelhaft, denn: Obwohl das Verteidigungsministerium offiziell mehr Tempo bei den Beschaffungen verkündet, hat es bei der Modernisierung des bürokratischen Fundaments keine Eile. „Die Umsetzung des Erlasses ist ein kontinuierlicher Prozess“, so das Ministerium gegenüber dem BdSt. Auf Nachfrage gab es preis, dass seit Frühjahr 2023 sogar zwei neue Regelungen mit Beschaffungsbezug hinzugekommen sind. Das ministerielle Bürokratie-Portfolio wurde also wieder umfangreicher!
Foto: privat
Der Bund der Steuerzahler meint
Auch wenn große Vertragsabschlüsse im Rüstungsbereich zuletzt medienwirksam verkündet wurden: Das Marketing des Ministeriums darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ministerialbürokratie behäbig ist und beim Bürokratieabbau immer noch eine offensichtliche Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht. Die Steuerzahler müssen also weiter wachsam bleiben und der Bundeswehr genau auf die Finger schauen.
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