
Roter Teppich für Großinvestor auf der Pütnitz
43 Mio. Euro Steuergeld für touristisches Großprojekt
Was ist passiert?
Ribnitz-Damgarten (MV). Die Stadt Ribnitz-Damgarten hat große Pläne. Auf der Halbinsel Pütnitz, einem ehemaligen munitionsbelasteten Militärgelände, soll auf einer Fläche von rund 230 ha ein maritim-touristisches Gewerbegebiet entwickelt werden. Die politische Entscheidung dafür fiel vor mehr als 12 Jahren, als der Tourismus im Land noch expandierte und das Motto „höher, schneller, weiter“ auch für die Bettenkapazitäten galt.
Doch, wie so oft, vergeht bis zur Umsetzung viel Zeit. Erst 2018 wird es konkreter. Ein sogenannter Ankerinvestor scheint gefunden. Ein französischer Anbieter von Familienferienparks will auf der Pütnitz investieren. Auf etwa der Hälfte der Fläche sollen zunächst bis zu 3.200 Betten in Ferienhäusern und Appartements entstehen. Voraussetzung für die Ansiedlung ist die vorherige Sanierung des Geländes. Munition muss geräumt und Altlasten müssen beseitigt werden. Dafür soll die Stadt Ribnitz-Damgarten Fördermittel vom Land erhalten. Allein dafür werden rund 20 Mio. Euro veranschlagt. Weitere Kosten kommen hinzu: Eine Zufahrtsstraße soll gebaut werden und auch eine Ringstraße um das Gelände. Kostenpunkt: weitere 25 Mio. Euro. Frühzeitig schaltet die Stadt Ribnitz-Damgarten das Wirtschaftsministerium ein. Es kommt zu Gesprächen zwischen dem Großinvestor, der Kommune und dem Land. Das Land stellt bereits hohe Fördermittel in Aussicht, sofern es eine Investitionszusage des „Ankerinvestors“ gibt. Dieser nimmt das Projekt mit rund 220 Mio. Euro in seine Bilanz auf. Die Voraussetzungen sind gegeben.
Doch mit der Pandemie ändern sich die Vorzeichen. Seit Jahren schon schreibt der Konzern rote Zahlen, durchläuft nun ein Schutzschirmverfahren und schlittert nur knapp an der Insolvenz vorbei. „Schwierige Jahre“ nennt es der Deutschland-Chef des Unternehmens, und auch in Ribnitz-Damgarten geht alles seinen gewohnten Gang. Wenn auch die Brötchen etwas kleiner gebacken werden. Von den ursprünglich geplanten 700 Ferienhäusern sind in den aktuellen Planungen noch 500 übriggeblieben, dazu kommen 100 Ferienwohnungen. Von 175 Vollzeitarbeitsplätzen ist die Rede. Es gibt weitere Zusagen kleinerer touristischer Anbieter für eine Ansiedlung. Sie sind auch notwendig, um den geplanten Ferienpark so zu gestalten, wie es die Gäste gewohnt sind. Theoretisch könnten auf der Pütnitz auch andere Hotels oder Ferienwohnungen entstehen, praktisch will sich die Stadt, wie in einer gegenseitigen Absichtserklärung festgehalten, aber immer erst mit dem Großinvestor abstimmen. Was der von Konkurrenz vor der eigenen Haustür hält, dürfte jedem klar sein. Und auch andernorts hat er das Sagen, wenn es zum Beispiel darum geht, in Zukunft vielleicht die Kurtaxe zu erhöhen. Oder wie sich die Öffentlichkeitsarbeit, auch die der Stadt, rund um die Investition gestaltet. Auch für den Fall, dass man doch einmal mehr als die ursprünglich geplanten 3.200 Betten anbieten möchte, zeigt sich die Stadt schon im Vorfeld gesprächsbereit.
Im Oktober 2020 erhält Ribnitz-Damgarten dann den Zuwendungsbescheid über 95 Prozent der förderfähigen Kosten. Und der Investor? Der muss sich weder an den Erschließungskosten noch an den notwendigen Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz beteiligen. Selbst die geplante Marina, die inzwischen „nur“ noch mit 5 Mio. Euro veranschlagt wird, erhöht zwar den touristischen Nutzen des Ferienparks, soll aber voll gefördert und von der Stadt betrieben werden.
Bei dem geplanten Ferienpark handelt es sich um ein geschlossenes Angebot. Wer dort Urlaub macht, möchte möglichst alle Attraktionen innerhalb des Ferienparks erleben. Eine Wirkungsanalyse geht von einer Auspendlerquote von nur 40 Prozent aus. Der touristische Nutzen außerhalb des Resorts dürfte also gering sein. Auch als Arbeitgeber für hochwertige Arbeitsplätze wird sich der Ferienpark nur bedingt eignen.
Allerdings muss die Stadt die notwendige Infrastruktur vorhalten und rechnet erst nach einer „Anlaufphase“ mit Gewerbesteuereinnahmen. Gleichzeitig kämpft der Tourismus in MV mit den Auswirkungen der Vogelgrippe-Pandemie und der Ukraine-Krise. Fachkräfte fehlen, Öffnungszeiten werden eingeschränkt. Pütnitz liegt am Saaler Bodden, kurz vor dem Darß, inmitten einer längst etablierten Tourismusregion. Das Wirtschaftsministerium nennt das „Binnenlandtourismus“. Ribnitz-Damgarten dagegen wirbt für sich als „Kleinstadt zwischen Ostsee und Bodden“. In einem Interview mit der regionalen Tageszeitung hält der Landrat des Landkreises Projekte dieser Größenordnung im Tourismus für nicht mehr zeitgemäß und verweist auf die Lenkungsfunktion von Fördermitteln.
Auch der Bund der Steuerzahler stellt die Frage, warum hier rund 43 Mio. Euro Fördermittel vergeben werden, ohne dass sich ein Großinvestor an diesen Kosten beteiligt. Auch die jüngsten Entwicklungen in der Tourismuswirtschaft werden nicht ausreichend berücksichtigt. Es droht eine Kannibalisierung bestehender Angebote und damit der heimischen mittelständischen Wirtschaft.
Foto: Diana Behr

Der Bund der Steuerzahler fordert
Wir schließen uns der Einschätzung des Landrates an: Das Projekt ist nicht mehr zeitgemäß. Stadt und Land rollen einem Großinvestor den roten Teppich aus und fördern Massentourismus, während der heimische Mittelstand mit den Folgen der Krise kämpft. Noch sind die Mittel nicht ausgereicht, die Fristen sind verstrichen. Das Land kann und sollte die Notbremse ziehen.
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