Mit zweierlei (Straf-)Maß
Wo korrupte Beamte rausfliegen, kassieren korrupte Bundestagsabgeordnete weiter
Was ist passiert?
Bund/Oppenheim (RP). Was ist bei einem Staatsdiener besonders wichtig? Er muss integer sein! Tatsächlich setzt der Gesetzgeber hier hohe Maßstäbe an. So wird ein Beamter nach einer Verfehlung sanktioniert – er kann sogar sämtliche Beamtenrechte verlieren. Rauswurf und Verlust von Pensionsansprüchen sind die Folgen, wenn ein Beamter sich hat bestechen lassen – z. B. dann, wenn er unter Vorsatz gehandelt und ein Gericht ihn zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt hat.
Das Bundesinnenministerium konstatiert knallhart: „Die Regelung ist sachgerecht und mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums vereinbar, weil entsprechende Freiheitsstrafen die Amtsunwürdigkeit belegen.“ Und weiter: „Eine rechtskräftige Verurteilung zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit im Hauptamt belegt die Ungeeignetheit für eine weitere Verwendung im Beamtenverhältnis, weil Korruption in besonderer Weise geeignet ist, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität der Staatsverwaltung maßgeblich zu beeinträchtigen.“ Ganz anders sieht die Sache aus, wenn ein Bundestagsabgeordneter sich dieser strafrechtlichen Verfehlung schuldig macht. Ihm drohen dann nicht solche Konsequenzen.
Akut aufgefallen ist diese Sonderregelung, als ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter aus Rheinland-Pfalz – zugleich war er damals ehrenamtlicher Stadtbürgermeister von Oppenheim – wegen Bestechlichkeit in vier Fällen und Untreue in zwölf Fällen im Amt rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Doch trotz des harschen Urteils stehen ihm seine Pensionsansprüche als ehemaliger Bundestagsabgeordneter weiterhin zu – und zwar ohne Abstriche! Der Grund: Abgeordnete verlieren ihren Pensionsanspruch erst dann, wenn sie im strafrechtlichen Sinne wegen eines „Verbrechens“ verurteilt werden, für das ein Mindeststrafmaß von einem Jahr gilt.
Bestechlichkeit gilt jedoch nicht als Verbrechen, sondern als Vergehen, weshalb – als Mindestmaß – geringere Freiheitsstrafen oder Geldstrafen verhängt werden.
Die Bundestagsverwaltung stellt hierzu ausdrücklich klar: „Sowohl bei der Untreue (§ 266 StGB) als auch bei der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) handelt es sich nicht um Verbrechen, sondern um Vergehen.“ Die Folge: Trotz der Haftstrafe – wenngleich ausgesetzt auf Bewährung – bleiben die Pensionsansprüche des Abgeordneten unangetastet, geschätzt rund 2.000 Euro monatlich. Während in gleich mehreren Beamtengesetzen die negativen Konsequenzen für den Fall einer strafrechtlichen Verurteilung minutiös geregelt sind, versteckt sich die generösere Lex specialis der Abgeordneten im Abgeordnetengesetz hinter dem nüchternen Paragrafen „Beginn und Ende der Ansprüche, Zahlungsvorschriften“. Dieser sieht unmittelbar keine Sanktionen vor, verweist aber – kompliziert über das Bundeswahlgesetz – schließlich auf das Strafgesetzbuch.
Foto: Sebastian Panknin
Der Bund der Steuerzahler kritisiert
Die Bürger können zu Recht eine Vorbildfunktion von ihren Volksvertretern erwarten. Wenn der Gesetzgeber von Staatsdienern ein Höchstmaß an Eignung, Integrität und Loyalität verlangt, dürfen Abgeordnete diesen Ansprüchen nicht hinterherhinken – ein korruptes Verhalten läuft schließlich der Würde und Unabhängigkeit eines Mandats zuwider. Deshalb sollten die Abgeordneten ihre eigenen Regeln dringend schärfen und sich dabei am Beamtenrecht orientieren!
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Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Es verwundert mich nicht, dass bei Beamten recht scharfe Regeln bzgl. Verlust der beamtenrechtlichen Ansprüche gelten, bei Parlamentariern dagegen nicht.
Von deutschen Beamten erwartet man als normaler Bürger Unbestechlichkeit. Beamte dürfen nichts annehmen, nicht einmal Vernunft.
Von Politikern dagegen erwartet man als normaler Bürger eigentlich nichts anderes, als dass sie korrupt sind, und dies nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern auch zum Nutzen der Partei, der sie angehören. Wenn Politiker wegen Korruption bereits aller Pensionsansprüche verlustig gingen, würden sie vermutlich viel weniger und viel seltener korrupt sein und somit die in sie gesetzten Erwartungen der Bürger enttäuschen.
Von daher sind die unterschiedlichen Regelungen bzgl. Verlust von Ruhegeld- und Pensionsansprüchen durchaus sinnvoll, damit beide Gruppen den in sie gesetzten Ansprüchen gerecht werden können.
(Und wer den Sarkasmus in meinem Kommentar findet, darf ihn gerne behalten. ;-)