Maut-Debakel ohne gesetzliche Lehren
Amtshaftung von Ministern: Bund will keine Lehren ziehen
Was ist passiert?
Bund. Das Millionen-Desaster um die gescheiterte Einführung der Pkw-Maut hat der Bund der Steuerzahler jahrelang in seinem Schwarzbuch begleitet – zuletzt in der Ausgabe 2023/24. Doch das Debakel setzt sich fort, weil die Bundesregierung nicht bereit ist, Lehren daraus zu ziehen.
Hintergrund: Nachdem der Bund im Sommer 2023 von einem Schiedsgericht zur Zahlung einer Entschädigungssumme von 243 Mio. Euro an das ursprünglich beauftragte Maut-Betreiberkonsortium verpflichtet worden ist, beauftragte das Bundesverkehrsministerium umgehend ein Rechtsgutachten zur Prüfung zivilrechtlicher Haftungsansprüche und deren gerichtlicher Durchsetzbarkeit gegenüber dem damaligen Verkehrsminister. Eine Berufung auf strafrechtliche Vorschriften war bereits durch die Staatsanwaltschaft Berlin nach eingehender Prüfung der Anhaltspunkte zuvor verworfen worden. Zwischennotiz: Bereits das Schiedsverfahren sowie diverse Verfahren vor Verwaltungsgerichten im Zusammenhang mit der Maut-Pleite haben nach Angaben des Ministeriums Kosten von rd. 28 Mio. Euro verursacht, das Rechtsgutachten weitere 101.745 Euro.
In ihrem Gutachten schlossen die Rechtsexperten einen belegbaren Vorsatz aus und sahen auch beim Nachweis grober Fahrlässigkeit große Unsicherheiten, zumal die konkreten Maßstäbe und Pflichten, die ein Gericht von einem Minister verlangen könnte, völlig unklar seien, da es keine Präzedenzfälle gebe. Im Ergebnis prognostizieren die Juristen daher nur geringe und unsichere Erfolgsaussichten für eine Schadenersatzklage. Das Prozess- und Kostenrisiko überwiege und würde die Steuerzahler zusätzlich belasten. Das Verkehrsministerium folgte dieser Einschätzung und sah von einer Klage ab.
Aber: Die Juristen stellten zugleich heraus, dass es keine einschlägige Haftungsgrundlage für Bundesminister gibt, insbesondere habe der „Gesetzgeber weder im Bundesministergesetz (BMinG) noch an anderer Stelle eine Haftungsnorm für Minister vorgesehen“. Die Gutachter betonen konkret: „Dass eine Regelungslücke besteht, ist angesichts der Tatsache, dass das BMinG keine Regelung für die Haftung bei Pflichtverletzungen durch einen Minister enthält, ersichtlich.“
Das Verkehrsministerium sieht sich auf BdSt-Nachfrage jedoch nicht veranlasst, hier eine Schärfung des Bundesministergesetzes zu initiieren. Auch das für das Ministergesetz fachlich zuständige Innenministerium legt die Hände in den Schoß. Es ignoriert das Rechtsgutachten und hat mögliche gesetzgeberische Konsequenzen erst gar nicht geprüft.
Dabei wäre das Bayerische Ministergesetz ein Vorbild. Es regelt in Artikel 7 Amtspflichtverletzungen und Amtshaftungsfragen und zieht Minister bei schuldhafter Amtspflichtverletzung zu Schadenersatz gegenüber dem Freistaat heran.
Vom BdSt auf diese Haftungsnorm angesprochen, und auf die Frage, ob diese nicht auch für das Bundesministergesetz sinnvoll wäre, wiegelte das Innenressort ab und erklärte, „dass das für Bundesministerinnen und Bundesminister einschlägige Bundesministergesetz eine Rückgriffsmöglichkeit im Sinne der Fragestellung nicht vorsieht. Eine entsprechende Änderung des Bundesministergesetzes ist derzeit nicht vorgesehen“.
Für Beamte gelten solche kulanten Regeln – oder besser: Nicht-Regeln – übrigens nicht: Sie werden bei schuldhafter Verletzung ihrer Amtspflichten auf Basis des Bundesbeamtengesetzes in Haftung genommen.
Foto: Sebastian Panknin
Der Bund der Steuerzahler fordert
Das vom Verkehrsministerium beauftragte Rechtsgutachten mag in seiner juristischen Argumentation zwar überzeugen, im Ergebnis aber sicherlich nicht. Dass Minister in ihrer täglichen Arbeit weitgehende Entscheidungsfreiheit brauchen, ist unstrittig. Doch darf diese Freiheit nicht in einen Freibrief münden, der die Durchsetzung von Schadenersatz bei vermeidbar teuren Fehlentscheidungen verhindert. Diese Regelungslücke bei Haftungsfragen von Bundesministern liegt offen auf dem Tisch. Bereits seit Längerem fordert der BdSt eine Schärfung des strafrechtlichen Rahmens und eine Ergänzung des Strafgesetzbuchs um einen Haushaltsuntreueparagrafen. Daneben zeigt nun das Rechtsgutachten, dass auch zivilrechtliche Haftungsfragen geklärt und präzisiert werden müssen. Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug!
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