
Information oder nur Werbung in eigener Sache?
Arbeitsministerium startet Kampagne für Gesetz, das noch nicht beschlossen ist
Was ist passiert?
Bund. Wie werden Produkte hergestellt? Antworten auf diese Frage gewinnen für Verbraucher und Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Dazu gehören auch die Produktionsbedingungen bei den Zulieferern im Ausland. Eine gesetzliche Regelung ist jedoch umstritten. Nach langem Anlauf hat das Bundeskabinett schließlich Anfang März einen entsprechenden Gesetzentwurf für ein „Sorgfaltspflichtengesetz“, besser bekannt als „Lieferkettengesetz“, verabschiedet. Der Entwurf sieht vor, per Gesetz zu regeln, welche Verantwortung Unternehmen für die Produktionsbedingungen auch bei ihren Zulieferern tragen. Nach dem Beschluss der Bundesregierung wurde der Gesetzentwurf an den Bundestag übermittelt, der dort bis Mitte des Jahres inklusive Expertenanhörung beraten werden soll.
Noch bevor der Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet wurde, hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bereits eine Kampagne gestartet, die für das zu verabschiedende Gesetz wirbt – in Zeitungsanzeigen sowie auf den Social-Media-Kanälen des Ministeriums selbst. Geworben wird auch mit Außenwerbung – teils mit haushohen Plakaten. Die Mitte März gestartete Kampagne soll noch bis Ende April laufen. Insgesamt rund 1,3 Mio. Euro sind für die Kampagne eingeplant, wie das BMAS auf Anfrage des BdSt mitteilt.
Ziel der Kampagne ist laut BMAS, die Unternehmen ausreichend über den Gesetzentwurf und Unterstützungsangebote der Regierung zu informieren. Zudem soll sie bei Verbrauchern ein „Bewusstsein für die Produktionsbedingungen von Konsumgütern schaffen“.
Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hat bereits nach dem Kabinettsbeschluss Anzeigen zum Thema geschaltet bzw. plante Online-Anzeigen – beides zusammen für rund 86.000 Euro. Von einer Kampagne will das BMZ aber nicht sprechen und gibt auf Nachfrage an, lediglich „im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit“ zu kommunizieren.
Wie auch immer die Kommunikation genannt wird, insgesamt hat die Bundesregierung demnach rund 1,4 Mio. Euro für Öffentlichkeitsarbeit rund um einen Gesetzentwurf ausgegeben, der eben genau das ist: nur ein Entwurf. Zur Erinnerung: Gesetze verabschieden in Deutschland die Parlamente, nicht die Regierungen. Und der Bundestag hatte zum Start der Kampagne den Entwurf noch nicht einmal beraten. Die erste Lesung im Parlament ist für Ende April geplant, eine Anhörung für Mitte Mai, die letzte Lesung und Abstimmung dann Ende Mai.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass auch Abgeordnete über die vorschnelle PR der Regierung verwundert sind. So kritisierte zum Beispiel die Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser (FDP) das Vorgehen, dass ein Gesetzentwurf von der Bundesregierung bereits beworben wird, bevor er überhaupt vom Gesetzgeber beraten wurde. Zuvor hatte sie sich in einer Schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung nach dem Umfang und den Kosten der Kampagne erkundigt und diese öffentlich gemacht.
Dass Änderungen am Gesetzentwurf möglich, ja sogar wahrscheinlich sind, sollte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wissen. Schließlich war es einst sein Parteifreund Peter Struck, damals SPD-Fraktionschef, der das „Strucksche Gesetz“ prägte, welches weissagte, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineingekommen ist. Eine Kampagne, die bereits über den Gesetzentwurf informiert, ist angesichts dieses „Gesetzes“ wohl voreilig.
Foto: Philipp Behm

Der Bund der Steuerzahler meint
Unabhängig vom Inhalt eines Gesetzes sollte die Bundesregierung den Beschluss des Gesetzgebers abwarten, bevor sie über den Inhalt informiert. Andernfalls drängt sich der Verdacht auf, Werbung in eigener Sache zu machen.
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