
Endlich mehr Transparenz bei Auslandsreisen
… und jetzt bitte noch mehr Bescheidenheit!
Was ist passiert?
Magdeburg (ST). Die Ausschüsse im Landtag planen gelegentlich außergewöhnliche Reisen. Dafür gibt es manchmal auch außergewöhnliche Begründungen.
Es ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn Abgeordnete einen Blick über den Tellerrand wagen. So können Ausschüsse des Landtags auch gelegentlich ins Ausland reisen, um sich über gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen zu informieren, die auch für Sachsen-Anhalt wichtig sein können. Grundsätzlich können diese Reisen in Ausschussstärke einmal pro Wahlperiode unternommen werden. Auch Reisen in Delegationsstärke mit weniger als 13 Ausschussmitgliedern können einmal in jedem Kalenderjahr stattfinden. Der Ältestenrat des Landtags kann über Ausnahmen entscheiden.
Spitzenreiter der in Einzelfällen fragwürdigen Reiselust war in der vergangenen Legislaturperiode der „Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien“. Weil er für Europaangelegenheiten zuständig ist, darf er nach der „Richtlinie über Reisen der Ausschüsse an Orte außerhalb Sachsen-Anhalts“ öfter reisen als andere.
Offensichtlich war es aber für diesen Ausschuss nicht so einfach, geeignete Ziele in Europa zu finden. Deshalb zog das „Fernweh“ ihn im März 2020, noch vor der coronabedingten Reisepause, nach Vietnam. Es sei wichtig, jungen Vietnamesen den Weg nach Sachsen-Anhalt zu ebnen, hieß es u. a. als Begründung. Dabei stand nach Darstellungen der Magdeburger Volksstimme auch eine Bootstour durch die malerische Halong-Bay auf dem Programm. Ein halbes Jahr zuvor, im Oktober 2019, war Baschkortostan das Ziel. In der russischen Region im fernen Osten Europas sollte u. a. die Städtepartnerschaft zwischen Halle (Saale) und der Hauptstadt Baschkortostans, Ufa, gepflegt werden.
In beiden Fällen gab es selbst bei einzelnen Parlamentariern erhebliche Diskussionen zu Sinn und Nutzen dieser Reisen. Der Bund der Steuerzahler hatte den Eindruck eines nicht nachvollziehbaren „Polit-Tourismus“. Auch die Kosten und genauen Ablaufpläne waren zunächst nicht öffentlich bekannt.
Hinzu kam, dass bei der Vietnamreise erst eine Ausnahmeentscheidung getroffen werden musste. Die bis 2021 geltende Reiserichtlinie schrieb nämlich vor, dass „Ziele außerhalb von Europa [...] grundsätzlich unberücksichtigt bleiben sollen.“ Um solche Probleme künftig zu vermeiden, wurde im Juli 2021 einfach die Reiserichtlinie geändert: In der neuen Legislaturperiode sind nun alle Ziele an einen Ort außerhalb Sachsen-Anhalts auch ohne Ausnahmegenehmigung möglich.
Das wollte der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Kultur vor kurzem sogleich nutzen: Chile stand auf dem Programm. Nach heftiger Kritik musste dieser Trip mit geplanten circa 30.000 Euro Kosten allerdings abgesagt werden. Jetzt wird nach Reisealternativen gesucht.
Als der BdSt im Jahr 2019 nach den Ablaufplänen und Kosten der Auslandsreisen der Ausschüsse fragte, blockierte die Landtagsverwaltung. Nach längerem Hin und Her brachte der BdSt daher eine Musterklage vor dem Verwaltungsgericht auf den Weg. Nun ist Bewegung in die Sache gekommen: Der Ältestenrat des Landtags entschied im Juni 2022, „das Parlament und die Öffentlichkeit künftig regelhaft über Ausschussreisen zu informieren“. Dies geschieht „im Hinblick auf die Bedeutung dieser Reisen […] und das ungebrochene große Interesse der Öffentlichkeit […]“. Künftig sollen vor Reiseantritt immerhin Informationen zum Reisezeitraum, Teilnehmende und Programm der Reise herausgegeben werden. Die tatsächlichen Kosten sollen mit dem Reisebericht nachgereicht werden.
Dadurch sind jetzt auch die Kosten der vergangenen Reisen öffentlich geworden: Insgesamt sind nach Darstellung der Magdeburger Volksstimme in der vergangenen Legislaturperiode mehr als 310.000 Euro Steuergeld für die Reisen der Ausschüsse geflossen. Eine beachtliche Summe, da doch die Reisemöglichkeiten coronabedingt zeitweise eingeschränkt waren. Allein der Vietnam-Trip 2020 soll die Steuerzahler exakt 36.135,09 Euro gekostet haben. Gegenüber dem BdSt wollte die Landtagsverwaltung diese Zahlen trotz der angekündigten neuen Offenheit allerdings nicht bestätigen.
Foto (Halong Bay in Vietnam): Andre Ouellet auf Unsplash
Der Bund der Steuerzahler meint
Abgeordnete haben eine hohe Verantwortung. Daher sollten sie ihre Auslandsreisen stets transparent, sachlich begründbar und wirtschaftlich durchführen, um jeden Anschein von „Polit-Tourismus“ zu vermeiden. Es ist dringend notwendig und zu begrüßen, dass für die Zukunft die Transparenz, die bisher nur äußerst eingeschränkt vorhanden war, verbessert werden soll. Die künftige Praxis der Landtagsverwaltung bleibt abzuwarten.
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