Chance vertan – 1 Mio. Euro Steuergeld verbrannt
Erfolgreiche Fahrradteststrecken mussten nach wenigen Jahren entfernt werden
Was ist passiert?
Landkreise Northeim und Grafschaft Bentheim (NI). Anders als bei abgetrennten Radwegen sind sogenannte Schutzstreifen Fahrstreifen, die mit gestrichelten Linien oder auffälliger Farbgebung direkt auf der Fahrbahn markiert werden. Kraftfahrzeuge dürfen diese Schutzstreifen nur bei Bedarf und ohne Gefährdung von Radfahrern überfahren, etwa um Gegenverkehr auszuweichen oder bei Überholvorgängen. Sie wurden mit der Novelle zur Straßenverkehrsordnung (StVO) im Jahr 1997 erstmals zugelassen, jedoch nur innerhalb geschlossener Ortschaften.
In dem bundesweiten Modellprojekt „Schutzstreifen außerorts“ des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) wurde von 2013 bis 2018 erprobt, wie sich diese alternative Radverkehrsführung außerorts auf die Attraktivität und die Sicherheit des Rad- und Autoverkehrs auswirkt.
In Niedersachsen beteiligten sich der Landkreis Northeim mit drei Strecken (Gesamtlänge: 6,9 km) und der Landkreis Grafschaft Bentheim mit einer 7 km langen Strecke an dem Projekt. Hierzu wurden für den Radverkehr auf beiden Seiten der Versuchsstrecken Schutzstreifen aufgebracht, sodass für Kraftfahrzeuge lediglich ein Kernfahrstreifen in der Fahrbahnmitte blieb. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wurde auf 70 km/h begrenzt.
Die Markierungsarbeiten kosteten insgesamt 261.000 Euro – ein Schnäppchen gemessen an den Kosten, die für Radwege sonst anfallen und regelmäßig um rund das Zehnfache höher sind.
Beide Landkreise teilten dem Bund der Steuerzahler auf Nachfrage mit, dass ihre Erfahrungen mit der neuen Verkehrsführung durchweg positiv waren. Auch die forschungsbegleitende Lenkungsgruppe kam in ihrem Schlussbericht von Dezember 2017 zu dem Urteil, dass die Schutzstreifen unter gewissen Bedingungen „als Lösungsmöglichkeit zur Führung des Radverkehrs auf schwächer belasteten Straßen empfohlen“ werden können, wovon insbesondere ländliche Räume profitieren könnten. Die Experten empfahlen, die Teststrecken bestehen zu lassen, um die Erkenntnisse weiter festigen zu können.
Umso erstaunter waren die beiden Landkreise, als sie nach Ablauf des Projektzeitraums vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) dazu aufgefordert wurden, die Teststrecken wieder zurückzubauen. Laut BMVI belegt der Abschlussbericht, dass von den neuen Schutzstreifen „keine sicherheitssteigernde Wirkung“ ausgeht. Eine Aufnahme der Schutzstreifen außerorts in die StVO werde daher nicht weiterverfolgt.
Hilfesuchend wandten sich nun die Landkreise an das niedersächsische Verkehrsministerium mit der Bitte, die Ausnahmeregelung für die bestehenden Teststrecken zu verlängern. Doch auch von dort erhielten sie eine Absage, sodass sie der Aufforderung zur Demarkierung der Strecken in den Jahren 2019 und 2020 nachkommen mussten.
Für das Abfräsen der Markierungen und die Wiederherstellung der Fahrbahndecke fielen in beiden Landkreisen insgesamt 763.000 Euro an, die von den Steuerzahlern aufzubringen waren.
Wie es anders geht, zeigt Baden-Württemberg. Im Südwesten hat man die Schutzstreifen nicht entfernt, sondern ist pragmatisch vorgegangen: Das Forschungsprojekt wurde in Eigeninitiative verlängert und es wurden sogar noch weitere Strecken in den Versuch aufgenommen.
Foto: Landkreis Grafschaft Bentheim
Der Bund der Steuerzahler kritisiert
Verkehrsbehörden in Niedersachsen und im Bund pochten stur auf die Einhaltung bürokratischer Straßenverkehrsvorschriften – koste es, was es wolle. Gleichzeitig betont die Politik die besondere Bedeutung der Verkehrswende und die hierzu notwendige Stärkung des Radverkehrs. Das passt nicht zusammen!
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