
Betrug bei Corona-Bürgertests
Hektik und verteilte Verantwortung begünstigen Abrechnungsbetrug
Was ist passiert?
Bund. Rund anderthalb Jahre waren sie in jeder Stadt zu finden: Läden, Kioske, Container und teilweise auch nur Zelte oder Lastenfahrräder, wo „kostenlose“ Bürgertests möglich waren. Dank üppiger Vergütung – anfangs erhielten die nicht-ärztlichen Leistungserbringer bis zu 21 Euro pro Test – waren bundesweit in kürzester Zeit mehr als 15.000 dieser Teststellen wie Pilze aus dem Boden geschossen, bei denen sich die Bürger mit kurzer Unterbrechung zwischen März 2021 und Juni 2022 ohne Zuzahlung auf das Corona-Virus testen lassen konnten.
Die Goldgräberstimmung lockte offenbar auch Kriminelle an – haarsträubende Geschichten über abgerechnete, aber nicht erbrachte Tests kamen ans Licht. Begünstigt wurde der Abrechnungsbetrug durch zu laxe Kontrollen vor allem zu Beginn.
Über den Umfang des Betrugs liegen der Bundesregierung „keine Erkenntnisse“ vor, wie unsere Anfrage im Bundesgesundheitsministerium (BMG) ergab. Schätzungen zur Größenordnung des Schadens führe es nicht durch, teilte das Ministerium mit und verwies auf die Behörden der Länder.
Dort war zu erfahren, dass es – Stand Sommer 2022 – rund 1.000 Ermittlungsverfahren zu mutmaßlichem Abrechnungsbetrug bei Bürgertests gebe. In manchen Bundesländern wurden schon erste Anklagen erhoben. Zu den mutmaßlichen Schäden der laufenden Ermittlungsverfahren waren auf BdSt-Anfrage nur aus 5 Ländern Angaben zur Höhe zu erfahren – diese summieren sich demnach auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Etwas weiter wagte sich ein Beamter des LKA Berlin vor, der in einer TV-Reportage sagte: „Ich persönlich würde mich nicht wundern, wenn die Gesamtschäden in der Größenordnung um die 800 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro liegen würden.“
Dabei hatte der Bund der Steuerzahler seine Zweifel bereits frühzeitig geäußert, selbst aus der Regierungskoalition hatte es Bedenken gegeben. Die Bundesregierung entschied sich jedoch dafür, auf eine stärkere Überprüfung zu verzichten, offenbar, um möglichst schnell viele Teststellen entstehen zu lassen.
So schrieb das BMG in einer Stellungnahme zum Risiko betrügerischer Abrechnungen der Bürgertests im März 2021: „Auf eine Verpflichtung der KVen, bereits bei der Abrechnung die zugrundeliegenden Angaben zu prüfen, wurde verzichtet, da dies durch den erforderlichen Personaleinsatz zu erheblichen Verzögerungen in der Abrechnung führen und dadurch die Bereitschaft potentieller Leistungserbringer zur Teilnahme an der Teststrategie stark mindern würde.“
Auch die stark verteilten Zuständigkeiten dürften eine Kontrolle erschwert haben: Während der Bund den Rahmen für die Bürgertests setzte und die Kosten übernahm, waren die Kassenärztlichen Vereinigungen für die Abrechnungen mit den Teststellen sowie die örtlichen Gesundheitsbehörden dafür zuständig, die Teststellen zu beauftragen und auf ihre Eignung zu prüfen. Gab es Probleme, verwies ein Beteiligter allzu oft auf die Zuständigkeit der jeweils anderen.
Währenddessen wurden zig Milliarden Euro Steuergeld ausgezahlt. Zahlen zu den Bürgertests in den ersten Monaten – vom 8. März bis Ende Juni 2021 – lagen dem BMG nach eigenen Angaben nicht vor. Bekannt ist nur, dass zwischen Juli 2021 und Juni 2022 rund 7,3 Mrd. Euro für mehr als 623 Mio. Tests abgerechnet wurden.
Foto: Philipp Behm
Der Bund der Steuerzahler kritisiert
Bei den Bürgertests wurde zu lange auf wirksame Kontrollen verzichtet. Hinzu kam, dass die Zuständigkeiten so stark verteilt waren, dass sich die Verantwortlichen zu selten zuständig fühlten.
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