
Von wegen Digitalisierung: Im Bundestag fährt man weiter zweigleisig
Papier ist geduldig – auch im Deutschen Bundestag
Was ist passiert?
Bund. Es klang so schön fortschrittlich im Vertrag der Ampelkoalition: „Wir bringen eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung voran.“ Doch statt mit dem „umfassenden digitalen Aufbruch“ bei sich selbst in der Bundestagsverwaltung anzufangen, wurde oft nach dem Motto verfahren: Warum nur online, wenn man es auch ausdrucken kann? Die beeindruckende Menge von 85,7 Mio. Blatt Papier wurde für die 20. Legislatur angeschafft, zum Preis von rund 620.000 Euro. Das sind 171.400 Pakete à 500 Blatt – damit könnte man 857 Europaletten bestücken und damit wiederum ein komplettes Handballfeld vollstellen.
Zwar erklärt die Bundestagsverwaltung auf Nachfrage durch den Bund der Steuerzahler, dass man weiterhin große Anstrengungen unternehme, um Verwaltungsabläufe zu digitalisieren. Eine konkrete Aussage zum prozentualen Anteil digitaler und analoger – sprich papierbasierter Arbeitsabläufe – könne man aber nicht machen. Immerhin zeige sich, dass für die verkürzte 20. Wahlperiode auch „ein reduzierter Papierverbrauch erkennbar sei“ – doch ist das nicht selbstverständlich?
Tatsächlich ist für manche Verwaltungsakte aus Datenschutz- oder Sicherheitsgründen die Papierform gesetzlich vorgeschrieben, und insgesamt ist vieles im Bundestag digitaler geworden. Die Webseite www.bundestag.de ist eine gut gepflegte Informationsquelle für externe wie interne Nutzer. Umso unlogischer ist es, wenn digital verfügbare Dokumente zusätzlich ausgedruckt werden! So wird zum Beispiel in jeder Sitzungswoche an alle Abgeordnetenbüros und einige weitere Adressaten die Plenartagesordnung in Papierform verteilt, bei Änderungen eventuell sogar mehrfach. Das bedeutet bei 73 Sitzungswochen und durchschnittlich zwei Ausgaben à drei Seiten, die an 860 Empfänger gehen, immerhin 376.680 Blatt Papier für diese Legislatur. Ähnlich ist es beim Amtlichen Protokoll, das nach jedem Sitzungstag die gefassten Beschlüsse nebst Drucksachennummer auflistet. Hier reden wir bei ca. 20 Seiten pro Sitzungswoche, die an 815 Adressaten verteilt werden, von stolzen 1.189.900 Blatt Papier für die vergangene Legislaturperiode. Dabei ist das Protokoll auch digital verfügbar, wird zusätzlich ausgedruckt und den Büros unaufgefordert zugestellt – eine „Stornierungsmöglichkeit“ ist nicht vorgesehen.
Das alles ist nicht nur unzeitgemäß und umständlich, sondern kostet auch eine Menge Geld, das im Etat des Deutschen Bundestags veranschlagt ist. Aber damit nicht genug: Zusätzlich zu den 620.000 Euro für Papier sind dort noch einmal 1,34 Mio. Euro für den Satz, den Druck und die Lieferung der „Parlamentsdrucksachen“ veranschlagt. Zugleich ist dies nur die Spitze des Eisbergs, denn ob Fraktionen, Ministerien oder Bundesbehörden, es gibt überall Dokumente, die nicht aus zwingenden juristischen oder anderen nachvollziehbaren Gründen ausgedruckt werden – obwohl sie digital verfügbar, aktueller und komfortabler nutzbar sind.
Auch ohne gleich einen komplett „papierlosen“ Bundestag zu fordern – beim Thema Drucksachen darf nicht das Motto gelten: „Doppelt hält besser“. Die Bundestagsverwaltung hat verfahrens- wie haushaltstechnisch eine Vorbildfunktion.
Foto: Devon
Alternative Investition
Allein für die Papierkosten von 620.000 Euro könnte man über 300 Bäume pflanzen.
Der Bund der Steuerzahler meint
Der Bundestag sollte in Sachen Digitalisierung ein Vorbild für die gesamte öffentliche Verwaltung sein. Dokumente online bereitstellen und zusätzlich ausdrucken ist unzeitgemäß, klimaschädlich, verschwendet Ressourcen und Haushaltsmittel. Papier mag geduldig sein, der Steuerzahler ist es nicht!
Video zum Fall
Von wegen Digitalisierung: Im Bundestag fährt man weiter zweigleisig
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