
Kunsthaus-Pleite nach nur dreieinhalb Jahren
Zu hohe laufende Kosten zwingen Göttinger Kunsthaus in die Knie
Was ist passiert?
Göttingen (NI). Im Jahr 2008 stellte die Stadt Göttingen erstmals die Idee eines Kunsthauses in der Innenstadt vor. Durch wechselnde Ausstellungen mit internationalem Renommee sollte das Haus zu einer Top-Adresse für zeitgenössische Bildende Kunst und Fotografie werden. Allerdings fehlten der Stadt seinerzeit die finanziellen Mittel, um diese Vision umsetzen zu können.
Erst als der Bund im Jahr 2014 das Förderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ ins Leben rief, kamen die Kunsthauspläne wieder aufs Tapet. Und tatsächlich konnte die Stadt über dieses Förderprogramm einen großzügigen Festbetrag von 4,5 Mio. Euro akquirieren. Die Stadt musste mit 500.000 Euro nur einen Bruchteil der damals auf fünf Mio. Euro geschätzten Gesamtkosten aufbringen. Um die Bundesförderung in Anspruch nehmen zu können, verpflichtete sich die Stadt, nach Fertigstellung das Kunsthaus mindestens zehn Jahre lang zu betreiben.
Im Dezember 2014 beschloss die Stadt also den Bau des Kunsthauses – und zwar, ohne die Folge- und Betriebskosten ausreichend zu beleuchten. Festgehalten wurde lediglich, dass die Stadt die seinerzeit auf jährlich 360.000 Euro geschätzten Betriebskosten zur Hälfte tragen sollte. Wie das Kunsthaus selbst ausreichende Einnahmen generieren könnte, um die Lücke zu schließen, blieb äußerst vage. Schon damals merkten kritische Ratsmitglieder an, dass sich das Projekt so dauerhaft zu einer großen Last für den Stadthaushalt entwickeln könnte.
Erste Finanzierungsschwierigkeiten gab es schon während der Bauphase, als sich wegen Baukostensteigerungen im Jahr 2018 eine Finanzierungslücke von rund einer Mio. Euro auftat, die nur durch die großzügige Spende einer Privatperson geschlossen werden konnte.
Zum 1.1.2020 wurde die Kunsthaus gGmbH als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt gegründet. Die Gesellschaft sollte den Betrieb des Kunsthauses übernehmen und die nötigen Einnahmen generieren. Auf weitere Unterstützung der Stadt konnte die Gesellschaft nicht bauen, denn obwohl man inzwischen bereits von jährlichen Betriebskosten in Höhe von 450.000 Euro ausging, passte die Stadt den zugesagten Zuschuss in Höhe von 180.000 Euro nicht an. Die Lücke sollte vollständig durch Spenden und Sponsoring geschlossen werden.
Im Juni 2021 konnte das sechs Mio. Euro teure Kunsthaus zwar die Eröffnung feiern, doch von Beginn an gelang es nicht, die Betriebskosten zu decken, sodass die Gesellschaft in den Jahren 2021 bis 2023 einen Fehlbetrag von insgesamt ca. 388.000 Euro anhäufte. Es mussten also dringend neue Einnahmequellen her. Eine Eintrittsgebühr kam dabei aber nicht infrage, weil einer der Sponsoren seine Zuwendungen an den kostenlosen Eintritt geknüpft hatte. Zudem wäre hier das Erlöspotenzial angesichts der geringen Besucherzahlen ohnehin überschaubar gewesen. Gerade einmal 35.000 Besucher hatten sich seit der Eröffnung in das Kunsthaus verirrt.
Also startete die Stadtspitze im November 2024 einen anderweitigen Rettungsversuch, indem sie die Stadtpolitik um Anhebung des jährlichen Zuschusses auf 240.000 Euro sowie eine einmalige Finanzspritze in Höhe von 200.000 Euro bat. Nachdem die Politik diese Bitte abgelehnt hatte, musste die Kunsthaus gGmbH schließlich Insolvenz anmelden.
Wie es mit dem Kunsthaus auf Dauer weitergeht, ist ungewiss. Vorerst hat die Stadt ein abgespecktes Notprogramm auf die Beine gestellt – wohl, um die erhaltenen Fördergelder nicht zurückzahlen zu müssen. Dass der Betrieb des Kunsthauses über die zehnjährige Zweckbindungsfrist hinaus aufrechterhalten werden kann, darf jedoch bezweifelt werden.
Foto: Nico Steinert
Alternative Investition
Die bis Ende 2024 für das Kunsthaus verausgabten städtischen Gelder in Höhe von 6,9 Mio. Euro hätten ausgereicht, um die gesamten städtischen Aufwendungen für das übrige Göttinger Kunstangebot fast zehn Jahre lang zu decken.
Der Bund der Steuerzahler kritisiert
„Wer sich ein Auto kauft, muss sicher sein, dass er auch Geld zum Tanken hat“: Diese Metapher hätte sich auch die finanziell angeschlagene Stadt Göttingen zu Herzen nehmen sollen, bevor sie sich für die Realisierung eines solchen Prestigeprojekts entschied. Investitionsentscheidungen erfordern auch immer belastbare Folgekostenabschätzungen! Dieser Grundsatz darf auch bei attraktiven Förderkulissen nicht einfach über Bord geworfen werden.
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Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Ein wirklich hässliches Betongebäude inmitten schöner alter Fachwerkbauten in der Innenstadt Göttingen. Für diese vorsätzlich und bewusst eingegangene Steuerverschwendung sollten die Verantwortlichen persönlich mit eigenem Vermögen zur Verantwortung gezogen werden und es ist nur zu hoffen, dass die Fördergelder in Millionenhöhe hierfür zurückgezahlt werden müssen und dann die Stadtkasse den zurückzuzahlenden Betrag bei den Verantworlichen für diese Bausünde einzieht.
Der Rat der Stadt hat die Notbremse gezogen und weitere Förderung für diesen Unfug verweigert. Das ist zumindest sehr respektvoll.